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Sie wussten genau, dass das Klima kippt
Wie uns die Ölmultis seit 1971 belogen

Bereits vor 50 Jahren wussten die Ölmultis, dass ihr Geschäft den Klimawandel befeuert. Intern wurde vor katastrophalsten Folgen gewarnt, offiziell geleugnet – des Profits wegen. BP, Exxon, Shell, Total und Co. wussten alles. Und taten nichts.
Publiziert: 21.11.2021 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2021 um 09:08 Uhr
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Dokumente belegen: Der US-Ölriese Exxon zum Beispiel sagte 1982 den späteren Anstieg bei CO₂ und Temperatur voraus, ...
Foto: Screenshot Documentcloud.org
Timothy Pfannkuchen

Nicht erst seit der im Ergebnis ernüchternden, aber zumindest den Willen zum Klimaschutz betonenden Weltklimakonferenz Glasgow (GB) steht Klimawandel ganz oben auf der Agenda der Politik. Auch alle Autobauer haben sich längst ein grünes Mäntelchen übergestreift. Und Ölkonzerne, die zu den mächtigsten Unternehmen der Welt zählen. Doch was Forscher in deren Archiven finden, ist schockierend: Die Ölgiganten wussten alles – und schossen trotzdem gegen Klimaschutz.

Warum? Es ist wie mit dem 1970er Pinto: Ford wusste, dass darin schon nach leichten Unfällen Menschen verbrennen werden – aber errechnete intern, dass das günstiger komme als ein sicheres Auto. Der Profit kam vor der Moral. Die Ölmultis wussten teils seit den 1970er-Jahren, dass ihre Produkte das Klima kippen. Ausser der Politik hätten sie es in der Hand gehabt, davor zu warnen oder auf Alternativen zu drängen. Stattdessen wurde der Klimawandel geleugnet und 1970 bis 2000 die Fördermenge verdoppelt: Die 20 grössten Ölmultis sind für über ein Drittel des globalen Treibhausgas-Ausstosses seit 1965 verantwortlich.

1971 vor Klimakrise gewarnt

Die französische Total beispielsweise, nach Umsatz 2020 siebt grösster Ölmulti, warnte laut «Global Environmental Change» 1971. Laut Studie las das Total-Management vor 50 Jahren in der Manager-Hauszeitschrift, was die eigenen Forscher fürchten. Da wurde für 2010 jener CO₂-Wert in der Atmosphäre vorausgesagt, der 2015 eintrat, und die daraus resultierenden «katastrophalen Folgen».

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Die Total-Teppichetage entschied: Da müssen wir was tun. Nicht für das Klima. Sondern gegen die Forscher ausserhalb der Firma. Nämlich Zweifel an der Klimaforschung säen – und das bis in die 1990er-Jahre hinein. Es wurde laut «Spiegel» dazu sogar eine Arbeitsgruppe mit anderen Multis gegründet. Ein Öl-Manager soll jener empfohlen haben, die Unsicherheiten der Klimaforschung auszunutzen und ansonsten vor allem die Kosten von Klimaschutz zu betonen.

Verbände zum Klimaleugnen

Beim britisch-niederländischen Riesen Shell (2020 der drittgrösste Ölkonzern) erstellten Wissenschaftler 1988 eine von «Climatefiles» publizierte Studie. Die Verbrennung fossiler Energieträger werde alles stärker verändern als in den 12'000 Jahren zuvor, hiess es da. Der menschengemachte Klimawandel werde Polareis schmelzen, Unwetter fördern, Regionen unbewohnbar, Nahrungsmittel knapp machen. Folgen? Desaströs! Die Forscher mahnten: Da vier Prozent der CO₂-Emissionen von Shell kämen, müsse Shell das Klimaproblem anpacken.

Auch Shell packte es lieber profitsichernd an und gab noch 2015 – 27 Jahre später – laut dem «Guardian» (GB) geschätzte 22 Millionen US-Dollar im Jahr aus, um gegen Klimaschutz zu wettern. Obwohl 1991 gar ein Shell-Film über die Gefahr entstanden war (siehe Video). Aber die eigenen Forscher hatten 1988 ja auch festgehalten, dass erst die späteren Generationen unter der Klimakrise leiden würden und der Klimawandel wohl erst faktisch sicher nachweisbar sei, wenn es vielleicht schon zu spät sei. Sprich: Was geht uns die Welt von morgen an?

Es wurde sogar eine Art Klimazweifler-Verband gegründet. Mit dabei: Exxon, 2020 sechstgrösster «Big Oil»-Riese. So schaltete Exxon noch 1997 Anzeigen, man wisse zu wenig zum menschengemachten Temperaturanstieg. Wie «Inside Climate News» enthüllte, sagten Exxon-Forscher jenen intern 1982 aber schon derart exakt voraus, dass Harvard-Forscher rückblickend heute darüber staunen.

Heute wird es anerkannt

Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen. Etwa mit BP, 2020 im Umsatz globale Ölnummer fünf. BP drehte laut «Bayerischem Rundfunk» vor 30 Jahren einen Lehrfilm: Stiegen die Emissionen noch weiter an, werde der Treibhauseffekt noch stärker – und ein Temperaturanstieg bereits um wenige Grad habe «vernichtende Konsequenzen». BP tat – nichts.

Experten sind überzeugt: Die Kampagnen der Öllobby trugen wesentlich dazu bei, dass es so lange dauerte, ehe der Klimawandel anerkannt wurde. Obwohl er intern bekannt und wohl nicht mal umstritten war. Heute erkennen sie den menschengemachten Klimawandel immerhin als Fakt an. Warum? Forscher vermuten: Weil die Fakten jetzt klar sind, es also anderenfalls Image und vor allem Geld kosten könnte. So wurde beispielsweise Exxon in den USA verklagt, weil das Verschweigen der Klimatatsachen Anleger bis über eine Milliarde US-Dollar gekostet habe. Ein US-Gericht entschied den Fall zugunsten von Exxon.

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