Elektroautos machen weniger Arbeit
Jobangst in der Autoindustrie

Gewinnwarnung, Stellenstreichung, Programmausdünnung: Handelskonflikte, die Elektrifizierung und die Digitalisierung stürzen in die Autobauer in wirtschaftliche Probleme.
Publiziert: 01.09.2019 um 16:43 Uhr
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Jobangst in der Autoindustrie: Doch diesmal sind es nicht neue Roboter, die für Unruhe bei Mitarbeitern in der Fertigung sorgen.
Foto: Zvg
Wolfgang Gomoll

In der Automobilindustrie ist die Götterdämmerung angebrochen. Die fetten Jahre scheinen vorbei: Gewinnwarnungen, Insolvenzen, das Streichen ganzer Fahrzeugbaureihen und ein möglicher Stellenabbau halten die Branche in Atem. Erst erschütterte die Dieselbranche die deutsche Vorzeigeindustrie, jetzt steht der Durchbruch der Elektromobilität vor der Tür.

Ausserdem trüben der eskalierende Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der drohende vertragslose Brexit die Aussichten. Das Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach (D) geht nach wie vor von einem Rückgang des PKW-Marktes um fünf Prozent aus. Massive Umwälzungen drohen, schmerzhafte Einschnitte sind unvermeidlich. 

Allein die Umstellung auf die Elektromobilität verschlingt schon Milliarden. «Sie suchen das Geld überall», erzählt ein Manager eines deutschen Premiumherstellers. Volkswagen nennt den Sparkurs euphemistisch «Reduzierung der Komplexität». Neben Motoren- und Getriebevarianten stehen auch ganze Modellbaureihen bei den Autobauern auf der Streichliste. Denn die Verkäufe schwinden global, und Motoren für Elektroautos brauchen weniger Teile als Verbrenner. Konsequenz: Stellen müssen gestrichen werden.

Autoindustrie will Management ausdünnen

«Die Hersteller haben sich in den letzten Jahren Fett angefressen. 30 Prozent weniger Stellen wären verschmerzbar», sagt ein Insider, der nicht genannt werden will. Der Grossteil dieses Stellenabbaus soll sich natürlich regeln. Jobs, deren Inhaber in Rente oder Altersteilzeit gehen, werden also nicht nachbesetzt. Harte Einschnitte bleiben dennoch nicht aus: Bei BMW machen Abfindungsangebote die Runde, und Daimlers kränkelnde Nutzfahrzeugsparte will ebenfalls Stellen streichen. Vor allem dem Management-Wasserkopf soll es an den Kragen gehen. VW und Audi müssen und wollen mehrere Tausend Arbeitsplätze abbauen. Das Problem dabei: Viele Stellen sind noch für einige Jahre durch überlange Beschäftigungspakte geschützt.

Bei VW wachen das Land Niedersachsen und die starke Arbeitnehmerseite mit Argusaugen über die Arbeitsplätze. Dennoch scheinen ein Stellenabbau und eine grundlegende Überprüfung der Wertschöpfungskette unabdingbar. Vor allem angesichts des globalen Wettbewerbs und den Konkurrenten aus China, denen sich die deutschen Autobauer in Zukunft stellen muss.

Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management sagt: «Mittelfristig muss damit gerechnet werden, dass sich die Renditen und Gewinne auf einem niedrigeren Niveau einpendeln.» Dabei müssten die Automobilhersteller die enormen Investitionen in neue Technologien und Geschäftsmodelle wie Elektromobilität, Mobilitätsdienstleistungen und autonomes Fahren aufrechterhalten, um zukunftsfähig zu bleiben. Gleichzeitig werde der Wettbewerb in den Bereichen E-Mobilität, Mobilitätsdienstleistungen und Vernetzung härter. Die Konsequenz seien deutliche Beschäftigungsrückgänge.

Zulieferer stehen vor dem Aus

Wenn die grossen Autobauer husten, kränkelt die gesamte Branche. Vor allem die Zulieferer treffen die Veränderungen hart. Zwar brauchen auch Elektroautos Karosserien, Achsen und Bremsen, aber im Zuge der veränderten Wertschöpfung werden die grossen Hersteller möglichst viel Kompetenzen im eigenen Haus binden – auch, um die Jobs zu sichern. Die Auswirkungen sind bereits sicht- und spürbar. Der Bremsbelag-Hersteller TMD hat bereits Insolvenz eingereicht, ebenso die Zulieferer Weber Automotive und SAM Automotive (Aluminium-Bauteile, zu den Kunden gehören VW und Mercedes), bei dem 1800 Jobs bedroht sind.

Beim insolventen Lackspezialist Eisenmann sind es sogar 3000. Die grossen, sogenannten «Tier 1»-Zulieferer schnallen den Gürtel enger: Continental kappt die Investitionen für die Verbrennungsmotoren, und beim Umbau auf die Elektromobilität sollen weitere Stellen wegfallen. Bei Bosch sind rund 15'000 Jobs mit dem Dieselmotor verknüpft. Wie viele davon übrig bleiben, steht in den Sternen. Vermutlich werden es weniger als 10'000 sein, die wohl auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. Auch bei Schaeffler stehen mehrere Tausend Stellen auf der Kippe, darunter viele, die nicht nachbesetzt werden.

Nur eines steht nicht zur Disposition: Der Übergang zur Elektromobilität. Der ist unvermeidlich angesichts der geplanten EU-Grenzwerte für den CO2-Ausstoss.

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