Frauen sind den Männern in Russland seit der Oktoberrevolution 1917 offiziell gleichgestellt. In der Praxis gibt es auch heute noch Ungleichbehandlung. So war es Frauen in Moskau bis Anfang 2021 etwa nicht erlaubt, als U-Bahn-Führerinnen tätig zu sein. Zudem sind Opfer häuslicher Gewalt in Russland gesetzlich unzureichend geschützt.
Im Berufsleben bringen es in Russland viele Frauen zu Führungspositionen. Das zeigte sich bereits vor Jahren: In einer Erhebung des US-Beratungsunternehmens Grant Thornton zum Frauenanteil in den Chefetagen belegte Russland mehrmals den Spitzenplatz. Auch zum engeren Machtzirkel des russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) gehören mehrere Frauen. Das sind die Wichtigsten:
Walentina Matwijenko
Nach Präsident Putin und Ministerpräsident Michail Mischustin (57) ist Walentina Matwijenko (73) die drittmächtigste Person in Russland. Matwijenko ist seit 2011 Vorsitzende des Föderationsrates, dem Oberhaus des russischen Parlaments. Der Föderationsrat vertritt die einzelnen Gliedstaaten der russischen Föderation. Im Gegensatz zur zweiten Parlamentskammer, der Duma, kann der Föderationsrat nicht vom Präsidenten aufgelöst werden. Matwijenko wurde 1949 in Schepetiwka westlich von Kiew geboren. Die Ukraine war damals Teil der Sowjetunion. Matwijenko studierte später in Leningrad, Putins Heimatstadt, die heute Sankt Petersburg heisst. 1972 trat Matwijenko der Kommunistischen Partei bei und wurde 1989 als jüngste weibliche Abgeordnete in den Volksdeputiertenkongress gewählt. Von 2003 bis 2011 war sie Gouverneurin von Sankt Petersburg. Matwijenko gilt als Unterstützerin und sogar als mögliche Nachfolgerin von Putin, manchmal wird sie sogar als seine rechte Hand bezeichnet.
Irina Jarowaja
Irina Jarowaja (56) arbeitete einst mit der Stiftung «Offenes Russland» des oppositionellen Oligarchen Michail Chodorkowski (59) zusammen. Heute ist sie Mitglied der Regierungspartei Einiges Russland und eine sicherheitspolitische Hardlinerin. Bekanntheit erlangte sie vor allem als Autorin des drastisch verschärften Antiterrorgesetzes in Russland. Dieses trägt inoffiziell ihren Namen. Das «Jarowaja-Gesetz» schreibt vor, dass russische Telekommunikationsanbieter alle Telefongespräche und Nachrichten der Nutzer sechs Monate lang speichern und den Geheimdiensten jederzeit Zugang dazu gewähren müssen. Jarowaja entwarf auch das Gesetz über «ausländische Agenten», welches Organisationen und Medien mit einer Finanzierung aus dem Ausland zu einer Registrierung verpflichtet. Jarowaja wurde 1966 in Makiiwka in der heutigen Ostukraine geboren. Bereits im Alter von 28 Jahren soll sie in der ostrussischen Region Kamtschatka stellvertretende Staatsanwältin und mit 29 Jahren Chefin der Untersuchungsabteilung der Staatsanwaltschaft geworden sein. Nach einer Karriere als Regionalpolitikerin wurde sie 2007 erstmals in die Duma gewählt. Seit 2016 ist sie stellvertretende Duma-Sprecherin.
Jelena Misulina
Jelena Misulina (68) sieht sich als Hüterin der Moral. Die frühere Duma-Abgeordnete und heutige Senatorin engagiert sich in erster Linie im Bereich der Familienpolitik. Die französisch-russische Historikerin Galia Ackerman (74) bezeichnet Misulina laut «Spiegel» als «eine der intolerantesten Personen überhaupt». Misulina gilt als Urheberin des umstrittenen Gesetzes gegen homosexuelle Propaganda in Russland. Auf ihre Initiative hin wurde zudem ein Gesetz eingeführt, das bei Gewalt in der Familie nur noch Ordnungsstrafen vorsieht, solange sie nur zu «blauen Flecken oder Schürfwunden» und keinen ernsthaften Gesundheitsschäden führt. Misulina wurde 1954 in der russischen Stadt Bui geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der staatlichen Universität Jaroslawl. Misulina war von 1995 bis 2003 und erneut von 2007 bis 2015 Mitglied der Staatsduma und ist seit 2015 Mitglied des Föderationsrates. Aufgrund ihrer Unterstützung für die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 gelangte sie auf die Sanktionslisten der USA und der EU.
Marija Sacharowa
Marija Sacharowa (47) ist in Russland und darüber hinaus bekannt für ihre aufmüpfigen Kommentare auf den sozialen Medien. Trotz Diplomatenstatus hält sie sich nicht immer ans Protokoll. Sacharowa gehört zu den meistgelesenen russischen Bloggern und wird auch von ausländischen Medien häufig zitiert. Seit 2015 ist sie die Leiterin der Pressestelle im russischen Aussenministerium. Sacharowa wurde 1975 als Tochter einer Diplomatenfamilie in Moskau geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in der chinesischen Hauptstadt Peking, wo ihre Eltern arbeiteten. Sacharowa studierte am staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen. Westliche Medien gaben ihr den Spitznamen «Putins Chef-Troll».
Margarita Simonjan
Die Chefin des russischen Auslandssenders RT, Margarita Simonjan (42), macht kein Geheimnis daraus, dass sie mit ihrem Medium einen russischen Standpunkt vertritt. Seit März 2022 werden RT-Inhalte deshalb in der ganzen EU zensiert. In der Schweiz gilt das Verbot nicht. Simonjan wurde 1980 als Kind armenischer Eltern im südrussischen Krasnodar geboren. Sie stammt aus ärmlichen Verhältnissen, ihr Vater reparierte Kühlschränke, die Mutter war Hausfrau. Ihre Eltern waren beide Nachkommen armenischer Flüchtlinge. In jungen Jahren lebte Simonjan dank eines Stipendiums ein Jahr lang in den USA. Die dortigen Erfahrungen hätten ihre vom Fernsehen vermittelten Illusionen über den «American Way of Life» zerstört, berichtete sie später. Simonjan arbeitete bereits für russische Lokalmedien, während sie an der staatlichen Kuban-Universität Krasnodar Journalistik studierte. Als «zentrale Figur der staatlichen Propaganda» und aufgrund ihrer Nähe zu Putin wurde sie vom Westen gleich zu Beginn des Ukraine-Kriegs mit Sanktionen belegt. (noo)