Wochenlang belagerten die Russen im Frühjahr das Asow-Stahlwerk in Mariupol. Das Symbol des Widerstands frustrierte Kremlchef Wladimir Putin (70). «Sperren Sie das Industriegelände ab, damit nicht einmal eine Fliege entkommen kann», befahl Putin damals seinem Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) im Russen-TV.
Während Putin die Schlinge immer enger ziehen wollte, nahm eine kleine Gruppe geheime Verhandlungen zur Beendigung der Belagerung auf. Beteiligt waren zwei von Putins ranghöchsten Generälen und ein ukrainischer Abgeordneter, der einst als sowjetischer Fallschirmjäger gedient hatte.
Oleksandr Kowalow (55), der für die ukrainische Seite vermittelte, hat CNN jetzt die Details der Geheim-Unterredungen verraten. Er behauptet, er habe dabei geholfen, «die andere Seite davon zu überzeugen, dass die Rettung von vor allem Kindern, Frauen und Verwundeten ein Akt der Vernunft, ein Akt des Humanismus sein wird.»
So fädelte Kowalow den Deal ein
In den Tagen der Belagerung wurde der Industriekomplex, der rund 2600 Kämpfer und Zivilisten beherbergte, pausenlos bombardiert. Unter trostlosen Bedingungen kauerten die Soldaten und Zivilisten unter der Erde. Die Frage, die sich viele von ihnen stellten: Komme ich hier jemals lebend raus? An diesem Punkt kam Kowalow ins Spiel. Seit Kriegsbeginn hat er es sich zum Ziel gesetzt, weiteres Blutvergiessen zu verhindern. «Nicht alle Menschen wollen Krieg», sagt er CNN.
Der Politiker nutzte einen FSB-Kontakt, um die Verhandlungen zu initiieren. Gleichzeitig unterbreitete er Kyrylo Budanow (37), dem Leiter des ukrainischen Geheimdienstes, seinen Plan. Budanow erlaubte die Reise.
Kowalow machte sich auf nach Mariupol – und verhandelte dort erfolgreich. Anfang Mai konnten die Vereinten Nationen und das Internationale Rote Kreuz Hunderte von Zivilisten aus Asowstal evakuieren. Am 7. Mai sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Iryna Vershchuk (43), dass «alle Frauen, Kinder und ältere Menschen» sicher aus dem Stahlwerk gebracht worden seien.
Aber die Soldaten blieben und das Bombardement der Russen ging weiter. Am 16. Mai gelang dann der nächste Durchbruch. Wieder sitzt Kowalow mit am Verhandlungstisch. Russland versprach einen Ausweg für die Asowstal-Kämpfer.
Russland stellt Bedingungen
Die Bedingungen: Die Ukrainer würden den Kampf einstellen, das Werk aufgeben und in russische Gewahrsam genommen werden. «Das Wichtigste bei diesen Verhandlungen ist, das Leben unserer Kämpfer, unserer Helden, zu retten, wie unser Präsident sagte: Nutzen Sie jede Gelegenheit, um unser Volk zu retten», resümiert Kowalow. Sein Erfolg hat allerdings einen faden Beigeschmack: Die Asowstal-Kämpfer sind bis heute Kriegsgefangene.
Bei den an den Verhandlungen beteiligten russischen Generälen soll es sich um Generalleutnant Wladimir Aleksejew, den stellvertretenden Leiter des Militärgeheimdienstes GRU, und Generalmajor Alexander Zorin handeln. Aleksejew wurde 2016 von den USA sanktioniert. Er soll hinter Cyberaktivitäten stecken, die darauf abzielten, die amerikanische Demokratie zu untergraben. Die EU und Grossbritannien sprachen gegen ihn zudem 2019 Sanktionen aus. Dabei ging es um die Vergiftung des ehemaligen russischen Geheimdienstoffiziers Sergej Skripal (68) in England.
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Zorin ist vor allem für seine Rolle als Putins Gesandter in Syrien bekannt. Er spielte eine aktive Rolle bei den Gesprächen zwischen dem Regime von Präsident Bashar al-Assad (57) und den Oppositions- und Rebellenfraktionen des Landes.
Der Einsatz der beiden Militärführer zeigt, welche Bedeutung Putin Asowstal beimass. Die Eroberung von Mariupol gilt als einer der grössten russischen Erfolge seit Beginn der russischen Invasion. Putins lang ersehnter Traum einer Landbrücke zwischen der Krim und Russland liegt so im Bereich des Möglichen. (nad)