«Danke, Onkel Jura, dass du mich aus Mariupol gerettet hast!»
1:37
Propaganda-Show in Moskau:Teenager-Mädchen bricht in Tränen aus

Irre Propaganda-Show
Entführte Ukraine-Kinder bedanken sich bei Soldaten

Bei einer Show zu Ehren von russischen Soldaten in Moskau standen plötzlich ukrainische Kinder auf der Bühne. Während der bizarren Propaganda-Vorstellung umarmten die Mädchen und Buben einen Soldaten und bedankten sich bei ihm für ihre «Rettung».
Publiziert: 23.02.2023 um 15:35 Uhr
|
Aktualisiert: 24.02.2023 um 14:10 Uhr
1/11
Bei einem Konzert in Moskau, zur Unterstützung der Soldaten in der Ukraine, wurden Kinder auf die Bühne geholt.
Foto: Youtube/Kp
RMS_Portrait_AUTOR_324.JPG
Anastasia MamonovaBlattmacherin Digital

Bereits in den ersten Kriegsmonaten wurde Mariupol von Russland besetzt. Seit dem 20. Mai wird die ukrainische Hafenstadt in der Oblast Donezk vom Wladimir Putins (70) Truppen kontrolliert. Wie wichtig ihm diese Eroberung ist, wurde auch am Mittwoch in Moskau klar.

Im Olympiastadion Luschniki fand eine Konzertkundgebung unter dem Motto «Ruhm den Verteidigern des Vaterlandes» statt. Dort wurde unter anderem die Geschichte eines Soldaten aus Tscheljabinsk mit dem Rufnamen «Engel» erzählt, der angeblich 367 Kinder in Mariupol während der Einnahme der Stadt durch russische Truppen gerettet haben soll.

Der siebenfache Vater Juri Gagarin sei Anfang März als Freiwilliger an die Front gereist, sagt der russische Schauspieler Wladimir Maschkow (59) auf der Bühne. Er gehört zu denjenigen Künstlern in Russland, die Putins Krieg von Anfang an unterstützen.

Video suggeriert Rettung von Kindern

Bevor Gagarin selber vor dem Publikum im Luschniki erscheint, wird ein Video eingeblendet, das zeigt, wie sich die angebliche Rettung abgespielt haben soll. Zu sehen ist ein Soldat, der vor zerbombten Häusern steht. «Jetzt werden wir uns alle versammeln und dann ganz schnell diese Strasse überqueren», sagt er zu mehreren Frauen mit Kindern. Unter ihnen ist auch ein Mädchen in einer pinken Jacke, das zwei kleine Büsis in den Händen trägt. Rundherum ist eine verwüstete Wohngegend zu sehen.

«Weine nicht, habe keine Angst», sagt er und hebt ein Kind hoch. Nachdem die Menschen die Strasse überquert haben, ruft er ihnen zu: «Dort ist es sicher». Die Frauen und Kinder winken ihm zu und bedanken sich.

Beim Soldaten soll es sich offenbar um Juri Gagarin handeln, einen Namensvetter des berühmten russischen Kosmonauten und ersten Menschen im Weltall. Ob die Szenen nachgestellt wurden oder sich tatsächlich so abgespielt haben sollen, ist unklar.

Mariupol-Mädchen bedankt sich bei Soldaten

Auf der Stadion-Bühne wird Gagarin jedenfalls mit tosendem Applaus empfangen. Neben ihm stehen ein Dutzend Kinder. «Das sind genau die Kinder, die Sie gerettet haben. Und erinnern Sie sich an Anja Naumenko? Sie ist auch hier und will ein paar wichtige Worte sagen», sagt die Moderatorin Julia Baranowskaja (42) zum Armeeangehörigen.

Ein Teenager-Mädchen in einer grauen Daunenjacke und mit Augenbrauen-Slits tritt nach vorne. «Danke an Onkel Jura dafür, dass er mich, meine Schwester und Hunderttausende andere Kinder gerettet hat. Aus Mariupol», sagt sie, bricht nervös ab und dreht sich zu den Moderatoren. «Ich habe ein bisschen vergessen...», ist noch zu hören, bevor sie das Mikrofon nach unten hält. Auf Twitter sind die User überzeugt, dass dem Kind im Vorfeld ein Text zum Auswendiglernen vorgelegt wurde, den es vor Publikum dummerweise vergeigt habe.

«Anjuta, hab keine Angst. Du darfst zu ihm hingehen und ihn umarmen», versucht die Moderatorin den «Patzer» des Mädchens zu überspielen und stösst das Kind in die Arme von Gagarin. «Kinder, lasst uns alle zusammen umarmen. Schaut! Das ist derjenige, der euch gerettet hat.» Daraufhin scharen sich die Kinder und Teenager um den Soldaten. Die Kleinsten drücken sich fest an den Mann in Uniform.

Soldat rappt bei Putin-Show in Moskau
1:59
Propagandaveranstaltung:Soldat rappt bei Putin-Show in Moskau

«Wir sind verpflichtet, diese Kinder zu verteidigen»

«Das sind die Kinder des Donbass, Kinder aus Mariupol, das sind unsere Kinder. Und wir – die russische Armee – sind verpflichtet, dieses Volk und diese Kinder zu verteidigen. Wir sind eine starke Armee. Wir sind eine mächtige Armee. Aber wir brauchen eure Unterstützung», ruft er und erntet tosenden Applaus. «Wir sind zusammen und wir werden siegen. Die Wahrheit und Gott sind auf unserer Seite. Lasst uns unser Land vor der grauen Pest beschützen», beendet Gagarin seine Rede und läuft gemeinsam mit den Kindern von der Bühne.

Ob es sich bei diesen Mädchen und Buben tatsächlich um Kinder aus Mariupol handelt und wie sie in Russland gelandet sind, ist unklar.

Wissenschaftler der Yale-Universität in den USA haben kürzlich herausgefunden, dass die russische Regierung seit Beginn des Krieges mindestens 6000 ukrainische Kinder verschleppt hat. Die Betroffenen sind im Alter von vier Monaten bis hin zu 17 Jahren. (man)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?