Für Kremlchef Wladimir Putin (70) ist Ungarn der letzte gute Draht zur Europäischen Union. Das Land hat sich bislang noch gar nicht an militärischer Unterstützung für die Ukraine beteiligt. Mehrere europäische Sanktionspakete sind durch Budapest verzögert worden. Zudem stellt sich das Land gegen eine Aufnahme der Ukraine in die EU oder die Nato.
An der Spitze der ungarischen Regierung steht Ministerpräsident Viktor Orban (60). Im Interview mit der «Bild»-Zeitung erklärt er, warum die Ukraine aus seiner Sicht keine Chance hat, gegen den Kreml zu bestehen.
Zum Prigoschin-Aufstand
Zunächst äusserte sich Orban aber zum Aufstand von Söldner-Boss Jewgeni Prigoschin (62). Der Chef der Wagner-Gruppe ist am Samstag mit seinen Truppen in Rostow am Don einmarschiert und zog dann noch weiter in Richtung Moskau. Die Meuterei veranlasste Putin dazu, Prigoschin zum Verräter zu erklären. Ein paar Stunden später folgte die Einigung – der Aufstand wurde gestoppt.
Was der Wagner-Aufstand über Putin verrät
Während die Welt mit Anspannung die Revolte in Russland beobachtete, spielt Orban sie herunter: «Ich sehe keine grosse Bedeutung in diesem Ereignis.» Für ihn war das eine innerrussische Angelegenheit, die wenig Beachtung verdiene.
Einige Experten legen den Aufstand als ein Indiz für Putins Schwäche aus. Orban hingegen meint, es sei «ein Zeichen der Stärke», dass das Problem innert 24 Stunden gelöst wurde.
Zu Putins Rolle
Dass Putin am Ende ist, glaubt Ungarns Ministerpräsident nicht einmal im Ansatz. «Natürlich» werde der Kremlchef auch 2024 im Amt bleiben, betont Orban. «Er ist stabil, er ist ein gewählter Führer Russlands und er ist beliebt und die Strukturen hinter ihm sind ziemlich stark.»
Laut Orban funktioniert Russland anders als andere europäische Länder. Es sei «ein militärisch orientiertes Land». Dementsprechend sei die Macht anders verteilt. Wenn man Russland aus einer westlichen Logik heraus verstehen wolle, werde man sich «immer täuschen».
Zum Kriegsverlauf
Zwar betont Orban, dass er «hofft, dass die Ukrainer eine Chance zum Überleben haben», aber Siegeschancen rechnet er ihnen keine aus. «Das ist unmöglich.» Der Grund: «Das Problem ist, dass den Ukrainern die Soldaten früher ausgehen werden als den Russen, und das wird am Ende der entscheidende Faktor sein.»
Aus diesem Grund halte er die militärische Unterstützung des Westens für «einen Fehlschlag». Orban verweist auf ein Gespräch, das er mit Putin vor Kriegsbeginn geführt habe. Putin habe der ukrainischen Armee zwar zugestanden, dass sie sehr stark sei, aber er glaubt zugleich, «dass die Zeit auf der russischen Seite steht». Auch Orban glaubt, dass der Kreml länger ausharren könne.
Zur Rolle des Westens
Aktuell sei die Ukraine «kein souveränes Land mehr». Sie habe kein Geld und keine eigenen Waffen, sondern sei abhängig vom Westen. Deshalb spielt er den Ball den Ukraine-Unterstützern zurück: «Wenn die Amerikaner also beschliessen, dass sie Frieden haben wollen, wird es Frieden geben.»
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Dementsprechend sieht Orban für den Westen keine Gefahr, die von Putin ausgeht. Dass die Russen weitere Länder angreifen, sei unmöglich, «weil sie nicht stark genug sind». Der Ukraine-Krieg habe zeigt, dass die Nato «viel stärker» als Russland sei.
Zu einem möglichen Kriegsende
Orban erklärt, dass es ihm nur um eines gehe: «Ich plädiere immer für Frieden, Frieden, Frieden.» Deshalb sollten sich die Kriegsparteien um einen umgehenden Waffenstillstand bemühen. Dass die Ukraine ihr Territorium zurückerhalte, habe keinen Vorrang.
Der einzige Weg, um die Ukrainer zu retten, sei, «dass die Amerikaner Verhandlungen mit den Russen aufnehmen und eine Vereinbarung über eine Sicherheitsarchitektur treffen und einen Platz für die Ukraine in dieser neuen Sicherheitsarchitektur finden». (bab)