Es ist die blutigste Schlacht des Ukrainekrieges. Bei der Stadt Bachmut fallen Russen und Ukrainer gleichermassen – beide Kriegsparteien melden hohe Verluste. Allerdings geraten die ukrainischen Streitkräfte immer mehr unter Druck: Am Sonntag vermeldete Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (61), einen Vorort eingenommen zu haben und jetzt Richtung Zentrum vorzurücken.
«Beiden Seiten geht es angesichts der investierten Anstrengungen um Prestige», sagt ETH-Strategieexperte Marcel Berni (34) zu Blick. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) habe denn im Dezember vor seiner Reise nach Washington Bachmut besucht, um im Kapitol eine Fahne der Verteidiger zu präsentieren.
«Prigoschin will Schlagkraft der Söldner inszenieren»
Berni: «Der Anführer der Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin, will durch die Einnahme von Bachmut die Schlagkraft seiner Söldner-Truppen inszenieren – durchaus auch in Abgrenzung zu den regulären russischen Truppen.» Kurzum: «In dieser Frontstadt prallt die ukrainische Verteidigungsbereitschaft auf die russische Entschlossenheit.»
Dennoch würde die Stadt Bachmut auch über eine «militärische Wichtigkeit» verfügen, so Berni. Sie hänge mit der Kontrolle über den Donbass zusammen, die der russische Präsident Wladimir Putin (70) anstrebe. «Könnten die Russen Bachmut einnehmen, so kämen die dahinterliegenden Städte Slowiansk und Kramatorsk wohl noch stärker in Reichweite der russischen Artillerie.»
Bachmut ist ein regionaler Logistik- und Verkehrsknotenpunkt, an dem zwei Strassen zusammenkommen. Die Ukrainer argwöhnen, dass Putin mit neuen Offensiven noch vor dem ersten Jahrestag des Ukrainekriegs am 24. Februar Fakten schaffen wolle, sprich quasi zum Jubiläum ein symbolträchtiges, taktisch wichtiges Gebiet einnehmen will.
Die Ukrainer haben Angst, umzingelt zu werden
Zurzeit versuchen die russischen Truppen, aus mindestens drei Richtungen in die Stadt einzudringen. Hierfür stellen sie offenbar eine grosse Menge an Soldaten, wobei sich die genaue Anzahl nicht überprüfen lässt. Laut Strategieexperte Berni fürchten die Ukrainer die komplette Umstellung von Bachmut, nachdem die Russen die nahe gelegene Stadt Soledar eingenommen haben.
Berni sagt: «Offenbar besteht das ukrainische Kalkül im Moment noch immer darin, die russischen Kräfte im ‹Fleischwolf› Bachmut abzunützen und zu verzögern, statt sich aus der Stadt zurückziehen.» Dabei käme es natürlich auch zu Verlusten auf Seiten der Ukrainer. «Es scheint jedoch, als wäre die ukrainische Armee weiterhin bereit, diesen Preis zu zahlen.»
Wagner-Chef Prigoschin gab am Wochenende bekannt, dass seine Kämpfer nach der Erstürmung des Vorortes Krasna Hora nun auf das sieben Kilometer entfernte Bachmut vorrücken würden. Auch gemäss Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums kommen die Truppen voran. Aus Kiew gab es dazu zunächst keine Stellungnahme.
Die Ukrainer hatten zuvor jedoch betont, dass Bachmut weiter unter ihrer Kontrolle sei. Der ukrainische Oberbefehlshaber Waleri Saluschni (49) sagte: «Trotz konstantem Druck des Feindes halten wir Bachmut weiter unter Kontrolle und ergreifen Massnahmen, um die Frontlinie um diese Stadt herum zu stabilisieren.» In der Stadt mit einst mehr als 70'000 Einwohnern harren mittlerweile nur noch wenige Tausend aus.