Vor anderthalb Wochen traf Israel mit einem Doppelschlag in Beirut und Teheran die Hisbollah und den Iran empfindlich. Nach der gezielten Tötung des Hisbollah-Kommandanten Fuad Shukr und des Hamas-Chefs Ismail Hanija in derselben Nacht haben das Mullah-Regime und die verbündete Schiitenmiliz Rache geschworen. Israel und seine Partner, allen voran die USA, bereiten sich auf einen Grossangriff vor – doch passiert ist bisher nichts.
Zwar betonen der Iran seine verbündeten Milizen in der «Achse des Widerstands», dass die Vergeltung mit Bestimmtheit kommen werde. Doch sie warten weiter zu. Der Iran und die Hisbollah befinden sich in einem Dilemma: Beide wollen keinen grossen Krieg mit Israel und den USA riskieren. Gleichzeitig müssen sie militärisch reagieren, um das Gesicht zu wahren. Der Gegenschlag muss also so austariert sein, dass er wehtut, aber nicht so sehr, dass die Eskalation deshalb unkontrollierbar wird.
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Militärisch kann keiner gewinnen
«Die Akteure sind in einem Kreislauf der Vergeltung gefangen», sagt Dan Smith (72), Direktor des International Peace Research Institute (Spiri) in Stockholm zu Blick. Smith glaubt, dass der Iran eher mit einem punktuellen Gegenschlag als mit einem grossen Angriff reagieren könnte. Dass das Mullah-Regime beispielsweise Jagd macht auf die Verantwortlichen für die Tötung von Hamas-Chef Hanija in Teheran. Denn in einer grossen militärischen Konfrontation sei dieser Konflikt nicht zu gewinnen – für keine Seite.
Akteure wie das Mullah-Regime, die Hisbollah oder die Hamas wüssten um die Stärke und Entschlossenheit Israels – und dass sich die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu dadurch leicht zu Gegenaktionen provozieren lasse, sagt Smith. Er glaubt, dass die «Achse des Widerstands» bei der Planung ihres Vergeltungsschlags genau das einfliessen lässt.
«Es ist für uns nur schwer vorstellbar, dass die bewusste Provokation von schweren Vergeltungsmassnahmen Teil der politischen Strategie sein kann», sagt er. Smith glaubt, dass der Iran und seine Verbündeten Israel zermürben wollen, indem der jüdische Staat mit seinen harten Gegenschlägen auf Angriffe langsam seine Unterstützer verliert. Israel soll in den Augen der Welt zum Problem werden – genau das passiert derzeit im Gazastreifen.
Israel verliert an Rückhalt
Netanyahu verliert mit seinem eisernen Festhalten am Kriegsziel, die Hamas zu vernichten, an Rückhalt. Selbst die USA drängten zuletzt mit Nachdruck auf eine Waffenruhe. Als die israelische Armee am Samstag in den frühen Morgenstunden eine Schule im Gazastreifen mit Raketen beschoss, war der internationale Aufschrei gross. Gemäss Angaben der Hamas hielten sich in der Schule Flüchtlinge auf, mindestens 93 Menschen seien getötet worden.
Der Angriff wurde unter anderem von Katar und Ägypten, die zu den wichtigsten Vermittlern bei den Verhandlungen um einen Waffenstillstand gehören, verurteilt. Auch der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell wählte deutliche Worte: «Mindestens zehn Schulen wurden in den vergangenen Wochen ins Visier genommen. Es gibt keine Rechtfertigung für diese Massaker», schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst X.
Israels Armee teilte mit, sie habe «präzise Hamas-Terroristen getroffen, die in einer Kommandozentrale in der Schule operierten». Vor dem Angriff seien zahlreiche Massnahmen ergriffen worden, um das Risiko für Zivilisten zu mindern.