Mit einem gezielten Luftangriff soll Israel Hamas-Chef Ismail Hanija (†62) getötet haben. Er hatte zuvor an der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian (69) teilgenommen. Er wäre der ranghöchste Hamas-Anführer, der seit Beginn des Gaza-Krieges vor rund zehn Monaten getötet wurde.
Hanija war von 2006 bis 2007 Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde und war eine der wichtigsten Figuren der Hamas. Von Katar und der Türkei aus organisierte er die politischen Aktivitäten der Terror-Gruppe. Doch jetzt ist er tot. Was bedeutet das für die Hamas? Und den Gaza-Krieg?
«Das bedeutet nichts Gutes. Hanija war der indirekte Gesprächspartner mit Israel, was die Waffenruhe und die Befreiung der Geisel betrifft», sagt der renommierte Nahost-Experte Erich Gysling (88) zu Blick.
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Man könne zwar seine Zweifel haben, wie ernst Israel diese Gespräche genommen hat. «Es gab immer wieder Probleme seitens Israel, wenn die Gespräche kurz vor einem Durchbruch standen. Jetzt dürften diese Gespräche auf jeden Fall beendet sein. Für die Geiseln, die noch leben sollten, dürfte es dramatische Folgen haben.»
«Im Nahen Osten droht jetzt eine Eskalation»
Wer die Nachfolge von Hanija antreten wird, sei aktuell unklar. Gysling zu Blick: «Es gibt zwar Stellvertreter, aber die haben sich bisher im Hintergrund aufgehalten. Das sind keine Persönlichkeiten wie Hanija. Er war die Schlüsselfigur der Verhandlungen.»
Der Tod des hohen Hamas-Führers verschärfe die Situation massiv. «Im Nahen Osten droht jetzt eine Eskalation.» Die Nachricht von Hanijas Tötung folgte nur wenige Stunden nach einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dabei wurde nach Angaben der israelischen Armee Fuad Schukr getötet, ein ranghoher Kommandant der Schiitenmiliz Hisbollah. Die Hisbollah ist mit der Hamas in Gaza verbündet, beide sind wiederum Verbündete des Irans.
Seit dem Terrorüberfall der Hamas und anderer Gruppen auf Israel am 7. Oktober greift die Hisbollah aus Solidarität mit der Hamas Ziele im Norden Israels an. Ihre Angriffe will sie erst einstellen, wenn es in Gaza zu einem Waffenstillstand kommt. Der Doppelschlag von Israel sei darum brandgefährlich. Gysling weiter: «Israel riskiert einen Zwei-Fronten-Krieg, der das Land in existenzielle Schwierigkeiten bringen wird.»
Zwei Szenarien jetzt wahrscheinlich
Auch Andreas Böhm, Nahost-Experte an der Universität St. Gallen, glaubt, dass die Verhandlungen nun ins Stocken geraten. Und er hält jetzt zwei Szenarien für wahrscheinlich. «Die Eliminierung von Hanija in Teheran und einem Militärführer der Hisbollah im Libanon gibt Netanyahu, die Möglichkeit einen Sieg zu verkünden und (endlich) die Verhandlungen voranzutreiben, die er lange genug blockiert hat», sagt Böhm zu Blick. Allerdings seien die beiden Schläge enorme Blamagen für Iran und Hisbollah, die im Prinzip darauf reagieren müssen.
Szenario 2: «Die beiden Schläge waren der bewusste Versuch Israels, einen regionalen Krieg zu provozieren. Dafür spricht, dass sie Iran und Hisbollah direkt im Zentrum (Teheran, Beirut) getroffen haben.» Zudem müsse Netanyahu fürchten, dass der nächste US-Präsident, egal ob es nun Trump oder Harris wird, ihm weniger durchgehen lässt. Böhm zu Blick: «Die Frage ist nun, wie der Iran reagiert. Es wird sicher eine sichtbare Reaktion geben, aber es kommt darauf an, ob sie mehr symbolisch ist oder eine weitere Eskalation auslöst.»