Das bange Warten auf den iranischen Gegenschlag
Warum jetzt die Angst vor dem 3. Weltkrieg wieder aufkommt

Es dürfte sich noch um Stunden handeln, bis der Iran zu einem schweren Schlag gegen Israel blasen wird. Experten warnen vor einer weltweiten Eskalation. Gar das Gespenst eines 3. Weltkrieges geht um. Wir sagen, wie gross diese Gefahr tatsächlich ist.
Publiziert: 05.08.2024 um 18:38 Uhr
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Aktualisiert: 06.08.2024 um 10:35 Uhr
Raketenübung am Persischen Golf: Der Iran will mit einer Vergeltung Ernst machen.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire
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Guido FelderAusland-Redaktor

Im Nahen Osten steigt die Angst vor einem grossen Krieg. Es ist eine Frage der Zeit, bis der Iran und seine Verbündeten Israel angreifen werden. Der Vergeltungsschlag ist eine Reaktion auf die Ermordung des Hamas-Auslandchefs Ismail Hanija in Teheran sowie des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr in Beirut.

Gleichzeitig steigt auch die Angst vor einem dritten Weltkrieg – denn auch im Nahost-Konflikt stehen sich letztlich Atommächte gegenüber. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit? Wie könnte er verhindert werden? Wir liefern die Antworten.

Wie schlimm wird der drohende Krieg im Nahen Osten?

Die Meinungen sind einhellig: Dieses Mal werden der Iran und seine Verbündeten härter zuschlagen als im April. Dan Smith (72), Direktor des International Peace Research Institute (Sipri) in Stockholm, sagt gegenüber Blick: «Sollte sich Israel einer existenziellen Bedrohung gegenübersehen, besteht ein erhebliches Risiko, dass es Atomwaffen einsetzt und damit enorme Zerstörung und menschliches Elend verursacht.»

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Israel hält seinen Iron Dome in Bereitschaft. Im April konnten fast alle Geschosse aus dem Iran abgefangen werden.
Foto: keystone-sda.ch

Michel Wyss (36), Experte an der Militärakademie der ETH Zürich, geht ebenfalls davon aus, dass ein iranischer Angriff «mutmasslich umfassender» ausfallen dürfte als im April. In Israel spreche man von einem möglicherweise mehrtägigen Angriff. Wyss: «Es ist aber schwierig, wegen zahlreicher Unbekannten über das Ausmass eines allfälligen Konfliktes zu spekulieren.»

Teheran liess verlauten, dass es den Tod von Ismail Hanija definitiv bestrafen wolle, aber keine Eskalation in der Region anstrebe.

Warum scheint die Gefahr eines Dritten Weltkrieges jetzt grösser als sonst?

Schon beim Einmarsch der Russen in die Ukraine im Februar 2022 wurde vor einem Dritten Weltkrieg gewarnt. Bisher ist beim regionalen Krieg und einem weltweiten Säbelrasseln geblieben. Jetzt kommt aber ein weiterer Brandherd dazu, bei dem verschiedene Grossmächte involviert sind.

Ein Seismograf für den Zustand der Erde sind die Börsen. Und die spielen verrückt: Die Finanzmärkte starteten am Montag zum Teil tiefrot in die neue Woche und fuhren Verluste ein. Dies vor allem wegen Angst vor einer Rezession in den USA – aber auch der Nahost-Konflikt spielt hier eine Rolle. Das iranische Regime hat alle Vermittlungsversuche – etwa des angrenzenden Jordaniens – abgelehnt. Es versprach, dass «die Menschen in der Welt in den nächsten Stunden Zeugen von interessanten Szenen» würden.

Wer warnt vor einem Dritten Weltkrieg?

Israels Aussenminister Israel Katz (68) sieht sein Land jetzt schon «mitten in einem Dritten Weltkrieg» gegen den radikalen Islam. Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) warnt wegen des Nahost-Konflikts vor einem dritten Weltkrieg. Verschiedene europäische Regierungen sprechen von einem möglichen direkten Konflikt mit Russland.

Auch der russische Präsident Wladimir Putin (71) warnt vor einem dritten Weltkrieg. Schon im März sagte er, dass ein umfassender Konflikt mit der Nato nicht auszuschliessen und in diesem Fall die Welt nur einen Schritt von einem dritten Weltkrieg entfernt sei.

Wie realistisch ist ein Dritter Weltkrieg tatsächlich?

Herfried Münkler (72), Politologe, der auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beriet, bezeichnet auf srf.ch die Gefahr als «real». «Mit zwei Kriegen, in die Atommächte involviert sind, also dem Ukraine-Krieg mit Russland und dem Nahost-Krieg mit Israel, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Krieg ausbricht, der relativ schnell globale Ausmasse annimmt und in einer nuklearen Konfrontation mündet.»

Das Risiko, dass es so weit kommt, hält allerdings Sipri-Chef Dan Smith als für gering. «Wenn man das Risiko in Zahlen fassen will, so muss man sagen, dass es deutlich unter zehn Prozent liegt.» Es handle sich um einen Krieg, den niemand wolle. «Die Grossmächte streben keine gegenseitige Vernichtung an», meint Smith.

Theodor H. Winkler (73), ehemaliger Sicherheitsberater im Schweizer Verteidigungsdepartement, meint, dass «unsere gefährlichste Zeit» erst noch komme. In der NZZ sagt er, dass ein Weltkrieg 2027 «tatsächlich in Reichweite» sein könnte. Dann nämlich, wenn Russland über die Ukraine siege, China Taiwan überfalle, alle schweren Konflikte zusammenschmelzen würden und ein wiedergewählter US-Präsident Donald Trump Europa fallen liesse.

Wie würde ein Dritter Weltkrieg ausgelöst?

Am ehesten durch einen technischen Unfall oder ein Missgeschick. Dan Smith erklärt: «Nach dem Einsatz von Atomwaffen könnten die Emotionen auf allen Seiten hochkochen und die Verdächtigungen und Feindseligkeiten zunehmen, die einen technischen Unfall in einen weltweiten Krieg verwandeln könnten.»

Mit einem «technischen Unfall» meint Smith etwa eine Software-Fehlfunktion, «die durch Missverständnisse und mangelnde Kommunikation in einer Atmosphäre gegenseitiger Feindseligkeit und Misstrauens zu einer Katastrophe wird, die unsere schlimmsten Vorstellungen übersteigt».

Wie kann man jetzt noch einen Dritten Weltkrieg verhindern?

Friedensforscher Dan Smith: «Aus der Risikobewertung ergibt sich, dass die dringlichste Priorität derzeit darin besteht, für eine klare Kommunikation zwischen den atomar bewaffneten Grossmächten zu sorgen und, wenn irgend möglich, die Feindseligkeit zwischen ihnen zu verringern.»

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