«Er will die ukrainische Identität zerstören»
Putin finanzierte Folterkammern in Cherson

Rund 20 Folterzentren soll es in der südukrainischen Stadt Cherson gegeben haben. Nachdem die Ukrainer die Stadt von den Russen zurückerobern konnten, untersucht ein internationales Juristenteam die Zusammenhänge – und die sind äusserst erschreckend.
Publiziert: 03.03.2023 um 09:14 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2023 um 12:48 Uhr
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Horror im Ukrainekrieg: In der südukrainischen Stadt Cherson sollen die Russen rund 20 Folterzentren eingerichtet haben – in Strafanstalten oder Bürogebäuden.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images

«Meine Zellenkameraden wurden heftig geschlagen», sagt der Ukrainer Zhenia Dremo zum «Guardian». Der Anfang eines Martyriums. Russische Soldaten hätten seinen Kameraden mit Elektroschlägen im Intimbereich gefoltert. Dremo: «Ich sass dann für zwei Stunden da und hörte ihn schreien.» Kein Einzelfall. Die Russen sollen in Folterkammern immer wieder Ukrainer malträtiert haben. Solche Horror-Orte fanden die ukrainischen Truppen etwa, nachdem sie die Stadt Cherson im November zurückerobern konnten.

Zahlreiche Einwohner wurden geschlagen, mit Elektroschockern taktiert und der Wasserfolter ausgesetzt – ausserdem dazu angehalten, prorussische Parolen zu lernen und sie wiederzugeben, ebenso russische Gedichte und Lieder. Manche Ukrainer wurden Berichten zufolge im Zuge der Folter getötet.

Ein Team von ukrainischen und internationalen Juristen unter der Leitung des britischen Menschenrechtsanwaltes Wayne Jordash arbeitet die Vorfälle rund um die Folterzentren derzeit auf. Seinen Ermittlungen zufolge hat Russland die «Massenfolterkammern» geplant und finanziert, wie der «Guardian» weiter berichtet.

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«Putin will die ukrainische Identität zerstören»

Insgesamt soll es 20 solcher Folterkammern gegeben haben, teilte das Juristenteam am Donnerstag mit. Es handelt sich ihm zufolge um umgenutzte Strafanstalten, aber auch um neue Folterzellen etwa in einem Bürogebäude. «Sie waren Teil eines kalkulierten Planes, zu terrorisieren, zu unterwerfen und den Widerstand in der Ukraine zu brechen», so die ermittelnden Experten. Der leitende Anwalt Jordash: «Putin will die ukrainische Identität zerstören.»

Anhand von Plänen der Streitkräfte Putins, aber auch Angaben von über Tausend überlebenden Folteropfern und schlicht der Tatsache, dass 400 gefolterte Personen verschwunden sind, konnten die Juristen bislang jede Menge Fakten zusammentragen und Beweise sichern. Ob die 400 Personen getötet oder einfach nach Russland verschleppt wurden, ist unklar.

Alle Gefangenen hatten Verbindungen zum ukrainischen Staat. Unter anderem handelte es sich um Aktivisten, Journalisten und Lehrer. Die Massenfolterzellen soll der russische Sicherheitsdienst geleitet haben, involviert war auch der russische Gefängnisdienst, der mit Personen vor Ort zusammenarbeitete. Nähere Angaben zu den Männern, die die Ukrainer gefoltert haben, gibt es bislang allerdings nicht. Laut Augenzeugen trugen sie Sturmhauben und waren schwarz gekleidet. (tva)

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