Sie tragen den gleichen Vornamen und sind beide Präsidenten, doch worin sich der russische und der ukrainische Staatschef unter anderem unterscheiden, wurde am Dienstag – Tag 300 des Krieges – nochmal deutlich.
Wolodimir Selenski (44) reiste nach Bachmut – den «heissesten Punkt» der Kämpfe. Bei diesem nicht ungefährlichen Besuch ehrte er die Soldaten mit Auszeichnungen und sprach ihnen Mut zu, die heftig umkämpfte Stadt weiter zu verteidigen.
Wladimir Putin (70) dagegen begrüsste im Kreml die von Moskau ernannten Statthalter der annektierten Ukraine-Regionen und TV-Propagandisten. Er hatte ihnen Orden «für ihre herausragenden Verdienste bei der Verteidigung der Rechte und Freiheiten der Zivilbevölkerung gegen die Aggression der ukrainischen Nationalisten» verliehen.
Putin 1999: «Terroristen auf der Toilette kaltmachen»
Unter ihnen war auch Putins Top-Propagandisten und Russia-Today-Chefin Margarita Simonjan (42). In ihrer Dankesrede wählte sie äusserst drastische Worte. «Ich arbeite viele Jahre unter Ihrer Führung und wollte Ihnen schon immer sagen: Danke, dass Sie die Kannibalen kaltmachen», sagte sie zum Kreml-Chef.
Im Jahr 1999 hatte Putin – damals noch Ministerpräsident der Russischen Föderation – auf einer Pressekonferenz in Astana (Kasachstan) den zweiten Tschetschenienkrieg kommentiert. «Wir werden Terroristen überall verfolgen. Wenn sie am Flughafen sind, dann am Flughafen. Wenn wir sie – Sie müssen mich entschuldigen – auf der Toilette fangen, dann machen wir sie dort kalt.»
Nun erinnerte Simonjan in ihrer Rede an Putins «Versprechen» vor über 20 Jahren. «Sie haben vor 20 Jahren verhindert, dass unser Kaukasus auseinandergerissen wird. Sie haben das interethnische Gemetzel nicht zugelassen», sagte sie und lobte ihn sogar für politische Entscheidungen im Georgien-Krieg im Jahr 2008, als offiziell Dmitri Medwedew (57) Präsident war.
«Danke, dass Sie 2008 nicht zugelassen haben, dass Abchasien und Ossetien von wahnsinnigen Kannibalen verschlungen werden.»
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«Wir werden Ihnen helfen»
Auch den aktuellen Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan liess sie nicht aus. «Danke, dass Sie das Massaker in Karabach vor kurzem verhindert haben. Und natürlich danke ich Ihnen ...», fängt Simonjan an, bevor sie nervös ins Stottern kommt.
«Normalerweise bin ich nicht nervös, wenn ich vor Publikum spreche, aber jetzt, wenn ich jeden Tag sehe, was in Donezk passiert, kann ich nicht ruhig bleiben und mir keine Sorgen machen. Danke Ihnen, dass Sie unser Volk aus dem blutigen Maul dieser Kannibalen gezogen haben. Dass Sie sich dazu entschlossen haben!»
Die Stadt Donezk, die seit acht Jahren unter der Kontrolle der Separatisten steht, gerät immer wieder unter Beschuss. Am Dienstag sind deshalb drei Stockwerke eines Spitals eingebrochen. Für den Angriff wird die ukrainische Armee verantwortlich gemacht.
Simonjan verspricht, Putin deshalb auf seinem Kriegspfad weiterhin zu unterstützen. «Wir werden Ihnen dabei helfen, die Kannibalen kaltzumachen, so lang wie Sie das von uns verlangen. Ich diene Russland.» (man)