«Jetzt gibts in Afghanistan einen Burka-Boom»
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CNN-Reporterin in Kabul:«Jetzt gibts in Afghanistan einen Burka-Boom»

CNN-Journalistin konfrontiert Taliban mit Frauenrechten
CNN-Journalistin konfrontiert Taliban mit Frauenrechten

Clarissa Ward traut sich, Taliban-Vertreter in Kabul zum Thema Frauenrechte und Amerika zu interviewen. Dabei geht sie selber nur noch verschleiert auf die Strasse – und sorgt dabei für Aufsehen im Netz.
Publiziert: 18.08.2021 um 13:14 Uhr
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CNN-Reporterin Clarissa Ward berichtet aus Kabul.
Foto: Screenshot CNN

Seit die Taliban in Afghanistan an der Macht sind, ist die Lage für viele Menschen im Land – besonders für Frauen – äusserst prekär. Mädchen droht eine Zwangsheirat. Die Angst ist gross, zu Hause eingesperrt zu werden und weder die Arbeit noch die Schule besuchen zu dürfen.

In Kabul übermalen Männer Plakatwände, auf denen Frauen ohne Bedeckung zu sehen sind. Aus Angst vor den Folgen.

Mitten in dieser bedrohlichen Umgebung traut sich die CNN-Journalistin Clarissa Ward (41) dennoch auf die Strasse. Versucht, mit Menschen in Kontakt zu kommen, Interviews zu machen. Ward ist eine der letzten ausländischen Reporterinnen im Land.

«Tod den Amerikanern»

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In ihrem Bericht steht sie zunächst vor der ehemaligen US-Botschaft. Hinter ihr eine Gruppe bewaffneter Taliban. Die Journalistin fragt die Männer, welche Botschaft sie für die USA haben. «Amerika hat bereits genug Zeit in Afghanistan verbracht, jetzt müssen sie das Land verlassen», lautet die Antwort.

Kurze Zeit später rufen die Islamisten «Tod den Amerikanern», berichtet Ward. «Gleichzeitig scheinen sie freundlich zu sein», kommentiert sie weiter. «Es ist völlig bizarr.»

Dieser Teil der Reportage wird nun von konservativen US-Medien und auch vom republikanischen Texas-Senator Ted Cruz als Vorlage genutzt, um gegen CNN zu schiessen. «Gibt es einen Feind Amerikas, dem CNN nicht zujubeln würde?», postet Cruz auf Twitter.

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CNN kontert

Der Sender lässt die Kritik nicht auf sich sitzen und antwortet: «Anstatt in schwierigen Zeiten nach Cancun zu fliehen, riskiert Clarissa Ward ihr Leben, um der Welt zu erzählen, was passiert. Das nennt man Tapferkeit.»

Damit spielt CNN auf Cruz' Ferienreise nach Mexiko vergangenen Winter an. Das zu einer Zeit, als in Texas nach einem schweren Wintersturm das Chaos ausbrach und die Menschen ohne Strom und mit knapper Wasserversorgung da sassen.

Nun solle Cruz doch die Zeit «besser nutzen, Amerikanern in Not zu helfen», statt «irreführenden Clips eines Verschwörungstheoretikers zu verbreiten», schreibt CNN im Statement weiter.

«Auf die Seite gehen, weil ich eine Frau bin»

In der Tat entspricht der Ausschnitt, den Cruz teilt, nicht dem Gesamtbild des Berichts. Nach der Passage vor der Botschaft wird der Präsidentenpalast eingeblendet. Dort sieht die Situation bereits ganz anders aus. Die anwesenden Männer zeigen sich nicht gesprächsbereit. «Sie haben mir gesagt, ich soll auf die Seite gehen, weil ich eine Frau bin», sagt Clarissa Ward.

In ihrer späteren Einschätzung spricht sie über die Frauen in Kabul. Auf den Strassen seien vorwiegend Taliban-Kämpfer und andere Männer unterwegs. Frauen sind aus dem Strassenbild praktisch verschwunden. Diejenigen, die draussen seien, würden sich nun «deutlich konservativer» kleiden. Aus diesem Grund würden Burka-Shops nun besonders boomen. «Sie glauben, von jetzt an ist das der einzige Weg für Frauen, um auf den Strassen sicher zu sein.»

Meme wegen Vollverschleierung

Auch ihr eigenes Aussehen sorgt im Internet für grosses Aufsehen. Am Sonntag zeigte sich Ward vor der Studio-Kamera in westlicher Kleidung. Am Montag dann stand sie voll verschleiert auf der Strasse von Kabul.

Der Vergleich der beiden Aufnahmen geht seither als Meme viral. Clarissa Ward relativiert in einer Stellungnahme jedoch den Vorher-Nachher-Vergleich. «Dieses Meme ist inakkurat», schreibt sie auf Twitter. Das obere Foto zeige sie in einem privaten Gebäude. Das untere wurde dagegen draussen auf der Strasse aufgenommen, während die Stadt bereits in der Hand der Taliban war.

Sie habe ausserdem bereits vorher ein Kopftuch getragen, wenn sie draussen unterwegs war. Allerdings räumt sie ein: «Wenn auch nicht mit vollständig bedecktem Haar und Abaya.» Es gebe deshalb schon einen Unterschied in ihrer Kleidung zur Zeit vor dem Einmarsch der Taliban, aber nicht einen so starken, wie es die Meme-Macher suggerieren wollen.

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Journalistin will nicht auffallen

Die Taliban seien grösstenteils «höflich» zu ihrer TV-Gruppe gewesen und hätten ihnen erlaubt, weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen, hält sie in einer Schaltung fest.

Als sie einen Taliban-Vertreter nach dem Schutz für Frauen fragt, antwortet dieser: «Ihr Leben wird weitergehen, sie können zur Schule und zur Arbeit.» Allerdings sollen sich die Frauen verhüllen. «So wie ich?», fragt Ward. Der Mann gibt ihr zu verstehen, dass auch die Hände und das Gesicht nicht gezeigt werden sollen. «Weil das in unserem Islam so ist», lautet die Begründung.

Sie selber sei jedoch von keinem zu diesen Schritten aufgefordert worden, erklärt Ward später. Trotzdem trage sie nun einen Hidschab und eine Abaya aus einem «Übermass an Vorsicht». Sie wolle nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und selber «zu einer Geschichte werden». (man)

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