Der schnelle Sieg der Taliban kam überraschend, ihre Ankunft in Kabul löste Panik aus. Um die Islamisten nicht zu verärgern, rissen die Einwohner der Stadt in den letzten Tagen sogar Werbeanzeigen ab, die Frauen ohne Kopftuch zeigen. Denn in Afghanistan bangen nun vor allem Frauen um ihre Rechte – ihre Zukunft ist ungewiss.
Am Dienstag zeigten sich die Taliban nun in einem Interview des afghanischen Fernsehsenders Tolo-News aber von einer ganz anderen Seite: Ein Medienvertreter der Islamisten stellte sich dort der Fragen einer Moderatorin. «Ich bin immer noch erstaunt, dass die Leute Angst vor den Taliban haben», sagte er.
«Will nicht, dass Frauen Opfer werden»
Wie die «New York Times» berichtet, gehört das Interview zu einer umfassenden Kampagne der Taliban, um ihr weltweites Ansehen zu verbessern. Bei ihrer Charmeoffensive ermutigen sie beispielsweise Frauen, wieder zu arbeiten und sich an der Regierung zu beteiligen. «Das Islamische Emirat will nicht, dass Frauen Opfer werden», sagte Enamullah Samangani, Mitglied der Kulturkommission der Taliban, in einer Erklärung.
Laut Afghanistan-Beobachtern ist es keine Seltenheit, dass die Taliban mit Journalistinnen sprechen. Speziell sei aber, dass ein solches Interview im eigenen Land stattfinde. Dass sich die Taliban plötzlich verändert haben sollen, daran will aber niemand so richtig glauben.
«Versuchen Kontrolle zu übernehmen»
Auch beim betroffenen Sender Tolo-News ist man skeptisch. Bei der Eroberung Kabuls drangen die Taliban in das Nachrichtenzentrum des Fernsehsenders ein. Wie ein Sprecher des Senders gegenüber BBC sagte, seien die Islamisten dabei professionell und höflich gewesen.
Jedoch habe er den Verdacht, dass die Inhalte des Senders bald zensiert werden könnten. «Die Taliban versuchen, die Kontrolle zu übernehmen», sagte er.
Millionen Dollar für Rechte der Frauen
Als die Taliban von 1996 bis 2001 Afghanistan regierten, verwehrten sie den Frauen die meisten Jobs sowie den Mädchen den Schulbesuch. Nach ihrer Invasion investierten die USA mehr als 780 Millionen US-Dollar, um die Rechte der Frauen wieder zu fördern.
In den letzten 20 Jahren sind Frauen so etwa dem Militär und der Polizei beigetreten, haben politische Ämter übernommen und an den Olympischen Spielen teilgenommen. Nun wächst die Angst, dass damit bald Schluss sein könnte. (bra)