«Für die Taliban sind Frauen keine Menschen»
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Sie floh aus Afghanistan:«Für die Taliban sind Frauen keine Menschen»

Afghanistan im Griff der Islamisten
«Für die Taliban sind Frauen Sachen, keine Menschen»

Am vergangenen Sonntag stürzten die Taliban die afghanische Regierung und eroberten die Hauptstadt Kabul. Insbesondere für die Frauen könnte die neue Herrschaft schlimme Folgen haben.
Publiziert: 18.08.2021 um 01:03 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2021 um 14:12 Uhr
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Asma Rezaie (31) macht sich grosse Sorgen um ihre Freunde und Familie in Afghanistan.
Foto: Rebecca Spring
Janina Bauer und Rebecca Spring

Taliban-Sprecher Suhail Shaheen gab Afghanistans Frauen am Montag ein grosses Versprechen: «Sie müssen keine Angst haben», sagte er im Interview mit der BBC. Ihr Leben soll normal weitergehen, auch die Schulbildung sicherte er zu. Jedoch trauen viele Menschen seinen Worten nicht.

Die Bilder, die zurzeit in den sozialen Medien kursieren, sprechen für sich: Männer übermalen oder reissen in Kabul aus Angst vor den Islamisten Plakatwände nieder, auf denen Frauen ohne Bedeckung zu sehen sind. Zu tief sitzen die Erinnerungen an die letzte Taliban-Herrschaft in Afghanistan zwischen 1996 und 2001. Frauen durften damals weder arbeiten noch zur Schule gehen. Sie wurden zu Hause eingesperrt – häusliche und sexualisierte Gewalt waren an der Tagesordnung.

Flucht in den Iran

Asma Rezaie (31) ist gebürtige Afghanin. Sie entkam einem solchen Schicksal, ihre Familie flüchtete bereits 1990 in den Iran. Kurz vor dem Fall des Terrorregimes im Jahr 2001 kehrten sie zurück in ihre Heimatstadt Herat im Westen des Landes. Rezaie ging zur Schule, studierte Mathematik und arbeitete am örtlichen Flughafen.

Genau wie für sie begann 2001 für viele Frauen ein neues Zeitalter.
Zwar herrschen in weiten Teilen des Landes immer noch äusserst patriarchalische Strukturen, dennoch haben sich die Frauen vieles erkämpft. Vor allem in den grossen Städten. «Die Frauen dort sind Ärztinnen, Künstlerinnen, Politikerinnen, Journalistinnen», erzählt Alexandra Karle, Direktorin von Amnesty International Schweiz. Insbesondere die nach 2001 geborene Generation führe ein normales Leben. «Für diese Mädchen bricht gerade eine Welt zusammen.»

«Ich weine jeden Abend um meine Familie»

Für Asma Rezaie verschlechterte sich die Lage bereits 2015. In ihrer Heimatstadt gewannen die Taliban zu diesem Zeitpunkt wieder an Macht, die Unruhen wurden stärker. Sie durfte nicht mehr weiter studieren, auch die Arbeit wurde ihr verboten. «Man zwang mich, eine Burka zu tragen.» Im Dezember 2015 flüchtete die junge Frau deswegen alleine in die Schweiz.

Sie lebt und arbeitet heute in Zürich. Gemeinsam mit ihrem Verlobten Ehsan Nazari plant sie eine Zukunft in der Schweiz. Gross ist nun die Sorge um ihre Familie, die sie damals zurücklassen musste: «Meine Familie und meine Freunde sind noch in Afghanistan. Ich weine jeden Abend um sie.» Kontakt habe sie nur sporadisch. Vor ein paar Tagen sprach sie mit einer befreundeten Mutter. «Sie hat mir gesagt: ‹Bevor die Taliban meine kleinen Töchter bekommen, töte ich sie eigenhändig.›» Asma Rezaie ist überzeugt: «Für die Taliban sind die Frauen keine Menschen, sondern Sachen.» Sollte sie einmal Kinder haben, möchte sie diese auf jeden Fall in der Schweiz grossziehen.

Frauen sind hoffnungslos

Neben jungen Mädchen sind insbesondere Frauen in der Öffentlichkeit von den Taliban bedroht. Zwei von ihnen sind Zarifa Ghafari (27) und Fatimah Hosseini (28). Beide sitzen seit vergangenem Wochenende in Kabul fest. Ghafari ist die jüngste Bürgermeisterin des Landes – in Maidan Shahr, 50 Kilometer südlich von Kabul. Auf sie wurden in der Vergangenheit mindestens drei Anschläge verübt. In ihrer Wohnung in Kabul versteckt sie sich gemeinsam mit ihrer Familie. Gegenüber «inews» sagte sie am Sonntag: «Die Taliban werden Leute wie mich holen und töten. Ich sitze hier und warte darauf, dass sie kommen.» Zu flüchten und die Familie im Stich zu lassen, kommt für Ghafari nicht in Frage. «Und überhaupt, wo soll ich hin?», fragt sie.

Auch Fatimah Hosseini berichtet aus ihrer Wohnung in Kabul. Die iranisch-afghanische Frauenrechtsaktivistin und Fotografin erzählt mit ihrer Arbeit Geschichten über Identität und Weiblichkeit in Afghanistan. Als Journalistin, die mit westlichen Medien zusammenarbeitet, fürchtet sie jetzt um ihr Leben. Zu CNN sagt sie: «Wir verlieren unsere Hoffnung und unsere Zukunft. Wir wissen nicht, was passieren wird.»

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