Schweden führte jahrzehntelang die wohl liberalste Einwanderungspolitik in Europa. Kritische Diskussionen wurden verweigert: Wer auf die Problematik hinwies, wurde geächtet und schnell in die rechte Ecke gestellt.
Zwischen 1965 und 1974 sind auf Initiative der Sozialdemokraten für Zuwanderer eine Million Wohnungen aus dem Boden gestampft worden. Das Programm war gut gemeint, doch die Integration misslang. Die gesichtslosen Viertel wurden zu Ausländerghettos mit – oft muslimischen – Parallelgesellschaften.
In keinem andern europäischen Land ist die Mordrate so hoch wie hier. Vor allem in den Vororten von Stockholm, Göteborg und Malmö sorgen Banden und Islamisten für Angst und Schrecken. Allein über die Festtage und den Jahreswechsel gab es in der Region Stockholm Schiessereien mit drei Toten und mehreren Verletzten.
Aus dem Neujahrsprotokoll der Stockholmer Polizei:
25. Dezember: Schiesserei in Rinkeby – ein Toter
28. Dezember: Mordversuch in Gubbängen – keine Verletzten
31. Dezember: Schiesserei in Vällingby – ein Toter, zwei Verletzte
4. Januar: Schiesserei in Jordbro – ein Toter, ein Verletzter
Über alle Tage: Mehrere Sprengstoffanschläge, keine Verletzten
Rinkeby mit 20'000 und Vällingby mit 9000 Einwohnern gelten in der Region Stockholm als Orte mit der meisten Kriminalität. Hier kommt es immer wieder zu Schiessereien und anderen Aggressionen, bei denen Unbeteiligte – darunter Kinder – verletzt oder gar getötet werden. Auch Autos werden haufenweise angezündet.
Somalier beherrschen den Hauptplatz
Am 6. Januar, einem nationalen Feiertag, hat Blick diese beiden Hotspots besucht und versucht, mit jugendlichen Einwanderern zu reden. Das ist nicht einfach – sogar gefährlich: Immer wieder werden Journalisten mit Steinen beworfen oder mit Fäusten angegriffen.
Die Blicke auf dem architektonisch gesichtslosen, rund 100 Meter langen Hauptplatz in Rinkeby sind misstrauisch. Hier halten sich am Freitag fast ausschliesslich Muslime aus Afrika auf, die bei zeitweiligem Schneetreiben und minus fünf Grad zur Moschee zum Gebet gehen. Fotografieren lässt sich von ihnen niemand.
Ein Einwanderer aus dem Nahen Osten, der seit 33 Jahren in Rinkeby lebt, sagt: «Damals gab es hier Schweden, Türken, Finnen und Iraner. Heute sind gegen 80 Prozent Somalier.»
Vor dem Haus der Mutter erschossen
Nur etwa 200 Meter vom Hauptplatz entfernt liegen ausgelöschte Kerzen im Schnee. Hier wurde am Weihnachtstag der Rapper Mehdi (†27), genannt «Dumle», getötet – vor dem Wohnblock, in dem seine Mutter lebt. Man schliesst nicht aus, dass er in eine Falle gelockt worden war. Abdi* (17), ein Somalier, sagt zu Blick: «Man sollte in Schweden wie in Holland Drogen legalisieren. Dann gäbe es nicht so viel Kriminalität.»
Das Tötungsdelikt in Vällingby an Silvester ereignete sich vor dem McDonald's. Es ist der Treffpunkt der Jugendlichen, von denen einige im Ausgang unter der Jacke eine schuss- und stichsichere Weste tragen. Auch hier wurde ein junger Mann erschossen, zwei jugendliche Kollegen erlitten Verletzungen. Am Boden brennen Kerzen, viele Passanten halten kurz inne.
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
«Fresh» (22), ein Schwede mit afrikanischen Wurzeln, hängt mit seinen Kollegen in der Nähe herum. Er sei arbeitslos, weil er keine Ausbildung habe und es sowieso keine Jobs gebe. Finanziert werde er von seiner Familie. «Ich möchte ja gerne arbeiten», beteuert er und kritisiert, dass bei den Jugendzentren vermehrt gespart werde. «Ich vermisse es, dass nicht mehr Aktivitäten angeboten werden, denn ich weiss oft nicht, was ich machen soll.»
Rami (28) aus Afghanistan, in dessen Laden Fresh Stammkunde ist, erwischt immer wieder Dealer: «Wenn ich einen sehe, werfe ich ihn raus und erteile ihm Ladenverbot.» Und er fügt an: «Leider ist es heute einfacher zu dealen, als einen Job zu erhalten.»
Die Jugendarbeitslosigkeit ist tatsächlich hoch. Im Herbst 2022 lag Schweden mit einem Wert von knapp 23,4 Prozent europaweit auf Rang vier – gleich hinter Spanien (32,3), Griechenland (27,3) und Italien (23,9). In der Schweiz waren es 8,6 Prozent.
Jugendarbeiter hofft auf weniger Schreibkram
Seit dem Mord an Silvester hat die Polizei ihre Präsenz in Vällingby massiv erhöht. Vor dem Posten des kleinen Orts stehen zeitweise gleich sechs Patrouillenfahrzeuge. Auch der Stockholmer Sozialservice hat seine Türen im Freizeittreff Tegelhögen länger geöffnet. Dessen regionaler Supervisor Fredrik Skoglund (46) sagt zu Blick: «Solche furchtbaren Schiessereien und Explosionen gehören leider zum Alltag.» Es handle sich meistens um Taten zweier Gangs, die sich bekämpften.
Ein Lösungsansatz wäre, dass die Sozialarbeit verstärkt würde und man vermehrt auch mit Kindern arbeiten könnte, meint Skoglund. Er warte daher auf die angekündigte Revision des Sozialservice-Gesetzes, das mehr Frontarbeit und weniger Schreibkram vorsehe.
Herzliche Polizistinnen
Im oberen Stock des Jugendtreffs spielen mehrere Jugendliche einen Rap ein. «Hier ist ein sicherer Platz», sagt Ahmed* (17) aus Tansania. Er sei vor kurzem auf die Insel Gotland gezogen, weil seine Mutter um die Sicherheit bange.
Dem Rap-Studio statten auch die beiden Polizistinnen Izabella (33) und Ada (39) einen Besuch ab. Ihr Auftreten ist auffallend liebenswürdig: Sie umarmen die jungen afrikanischen Hobbyrapper und helfen sogar bei einem technischen Problem. Ist da noch genügend Distanz vorhanden? «Wir sind Mitglieder der Regionalpolizei und suchen den Kontakt. Sie sollen uns nicht nur als Beamte, sondern auch als Menschen kennen», begründen sie ihre Herzlichkeit.
Über 60 Tote bei Schiessereien 2022
Die Tötungsdelikte über den Jahreswechsel sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der schwedischen Kriminalstatistik. Im letzten Jahr wurden bei Schiessereien landesweit über 60 Menschen getötet und über 100 verletzt. In den Nachbarländern Dänemark und Norwegen wurden in der gleichen Zeit je vier und in Finnland zwei Menschen getötet.
Die Polizei hat landesweit rund 60 «gefährdete Gebiete» definiert, in denen Rettungsdienste oft nur unter Polizeischutz arbeiten können, weil sie selbst im Noteinsatz angegriffen werden. Rinkeby und Vällingby gehören zu diesen Hotspots.
Die neue bürgerliche Regierung, die von den massiv erstarkten rechten Schwedendemokraten beeinflusst wird, hat der Kriminalität den Kampf angesagt und die Hürden für die Einwanderung erhöht. Der neue konservative Ministerpräsident Ulf Kristersson (59) gestand in seiner Weihnachtsansprache ein: «Schweden befindet sich in einer sehr ernsten Lage.»