Schweden findet keinen Weg aus der Gewaltspirale
Spielende Kinder «aus Versehen» angeschossen

Wieder trifft es die Schwächsten: Zwei Kinder sind wohl wegen eines Bandenkriegs in Schweden durch Schüsse verletzt worden.
Publiziert: 19.07.2021 um 12:31 Uhr
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Auf einer Fussgängerbrücke in der Nähe von Stockholm suchen Polizisten nach Spuren.
Foto: zvg/blaljus
Guido Felder

In Flemingsberg, 15 Kilometer südlich von Stockholm, sind am Samstagabend zwei kleine Kinder durch Schüsse verletzt worden. Das fünfjährige Mädchen und ihr sechsjähriger Bruder waren draussen am Spielen, als Kugeln ihre Beine trafen. Die Kinder wurden mit Verletzungen ins Spital gebracht. Laut Polizei besteht keine Lebensgefahr.

Nach Angaben der Polizei deutet alles darauf hin, dass die Kinder nicht gezielt, sondern aus Versehen getroffen wurden. Eine Augenzeugin gab der Polizei zu Protokoll, dass sich eine Gruppe auf einer Fussgängerbrücke gestritten und sie jemanden «Erschiess ihn, erschiess ihn» schreien gehört habe. Darauf habe sie mindestens einen Schuss gehört.

Krieg der Gangs

Die Polizei verhaftete neun Männer zwischen 17 und 29 Jahren wegen Mordversuchs. Die Zeitung «Expressen» schreibt, dass diese eine Beziehung zum sogenannten Flemingsberg-Netzwerks hätten und alle bis auf den jüngsten vorbestraft seien.

Die Gang, die sich aus Einwanderern zusammensetzt, ist in der schweren organisierten Kriminalität tätig und befindet sich im Krieg mit rivalisierenden Banden.

Vor rund zwei Wochen wurde bei einer Grundschule in Flemingsberg ein 25-jähriger Mann vor den Augen spielender Jugendlicher erschossen. Er galt als einer der Anführer des Netzwerks.

Waffengewalt nimmt zu

In Schweden hat die Waffengewalt in den vergangenen Jahren massiv zugenommen, wie eine Statistik der schwedischen Regierung für den Zeitraum zwischen 2000 und 2019 zeigt. 2019 starben im zehn Millionen Einwohner zählenden Land 42 Menschen durch Schusswaffen. In den andern europäischen Ländern zeigt dieser Trend nach unten.

Total gab es 2017 in Schweden 113 Tötungen, in der Schweiz waren es 45.

Gründe für die massive Gewaltzunahme gibt es mehrere, die aber letztlich zusammenhängen: grosszügige Einwanderung, fehlende Integration und damit Armut und Ghettobildung in den Agglomerationen der grossen Städte. Die Clans, meistens aus dem Nahen Osten stammend, haben grossen Zulauf.

Immer wieder Kinder betroffen

Meistens handelt es sich bei den Opfern um Kriminelle. Aber auch Kinder werden immer wieder direkt oder indirekt in tödliche Schiessereien verwickelt.

  • 12. Juni 2015: In Göteborg stirbt ein vierjähriges Mädchen durch eine Autobombe. Nebst dem Kind sterben auch dessen Vater sowie zwei weitere Personen.

  • 13. August 2016: In Göteborg stirbt ein achtjähriger Bub, nachdem jemand eine Handgranate in seine Wohnung geworfen hatte. In der Wohnung hielten sich Erwachsene sowie fünf Kinder auf.

  • 26. August 2019: In Malmö wird mitten am Tag eine 31-jährige Frau – mit einem zwei Monate alten Baby im Arm – mit mehreren Schüssen hingerichtet. Sie hatte als Spitalärztin in einem Mordfall ausgesagt.

  • 1. August 2020: Bei einer Stockholmer Tankstelle wird ein zwölfjähriges Mädchen aus einem fahrenden Auto heraus erschossen. Die Schüsse galten Kriminellen, die in der Nähe standen.

Regierung macht- und tatenlos

Die rot-grüne Regierung hat immer wieder versprochen, die Gewalt zu bekämpfen. Der sozialdemokratische Innenminister Mikael Damberg (49) setzt auf mehr Polizisten und schärfere Strafen, zudem sollen auch das Sozialwesen und die Schulen in den Problemvierteln gestärkt werden. Genützt hat es bisher nichts, wie die Statistiken zeigen.

Am 21. Juni hat das Parlament den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven (63) mit einem Misstrauensantrag zum kurzfristigen Rücktritt gezwungen, ihn am 7. Juli aber dennoch wieder als Regierungschef bestätigt. Damit sieht es nicht danach aus, als ob sich in Schweden in nächster Zeit wirklich etwas ändern würde.

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