Beim Klima sind wir nur im Inland Musterschüler
So verpestet die saubere Schweiz die Luft im Ausland

Bei den Luftverpestern rangiert die Schweiz weit hinten. Doch schaut man sich die Klimabilanz genauer an, merkt man: Die vermeintlich saubere Schweiz gehört weltweit zu den grösseren Klimasündern.
Publiziert: 05.11.2021 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2021 um 07:28 Uhr
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In der Schweiz gibt es saubere Luft – dafür wird diese in anderen Ländern umso mehr verpestet.
Foto: Shutterstock
Guido Felder

Saubere Natur, frische Luft und moderne Technik: In der Schweiz ist die Umwelt in Ordnung. So zeigt sich unser Land beim selbst verschuldeten CO2-Ausstoss vorbildlich – auf der Liste der grössten Luftverpester rangiert es weit hinten, deutlich hinter vermeintlich sauberen Ländern wie Kanada und Norwegen.

Doch der Schein trügt. Zwar ist der hier produzierte Pro-Kopf-Ausstoss von rund 4,4 Tonnen CO2 jährlich im Verhältnis tatsächlich tief. Doch zur effektiven Klimabilanz muss man auch den CO2-Ausstoss dazurechnen, der im Ausland bei der Produktion von für den Schweizer Markt bestimmten Waren entsteht. Auf dieser Rangliste der Luftverpester findet man die Schweiz mit 14,3 Tonnen bei den grösseren Sündern.

Emissionen werden exportiert

Kai Landwehr (45), Pressesprecher bei der Umweltstiftung Myclimate mit Sitz in Zürich, sagt gegenüber Blick: «Die Schweiz hat einfach viele ihrer Emissionen ins Ausland verlagert. Die damit verbundenen CO2-Ausstösse zählen für die Schweiz aber erst ab der Grenze.» Diese grauen Emissionen, wie der im Ausland verursachte Schadstoffausstoss genannt wird, machen rund zwei Drittel des gesamten schweizerischen Fussabdrucks aus.

Kai Landwehr nennt Beispiele: «Schauen Sie aus dem Fenster und werfen Sie einen Blick auf die Autos auf der Strasse! Diese meist sehr grossen Fahrzeuge zählen nur beim Spritverbrauch für die inländische Bilanz. Die Herstellung wird Ländern wie Deutschland, Italien, China oder Japan angerechnet.»

Das Gleiche bei den Kleidern: «Herr und Frau Schweizer kaufen im Jahr durchschnittlich unfassbare 60 bis 70 Kleidungsstücke. Nur ein Bruchteil davon wird hier gefertigt, von den Rohstoffen ganz zu schweigen.»

Tatsache ist, dass das Klima ein weltweites Problem ist, das keine Grenzen kennt. Wie kann man ihm begegnen? Landwehr: «Wir können als Einzelperson durch bewusstes Kaufverhalten und als Land mit sensationellen technischen Möglichkeiten, internationalem Ansehen und dem nötigen Kleingeld immens viel erreichen.»

Es herrscht Optimismus

Neue Analysen der Internationalen Energieagentur in Paris zeigen, dass der am Klimagipfel COP 26 in Glasgow (GB) geschlossene Pakt zur Reduktion des klimaschädlichen Treibhausgases Methan und die neuen Netto-null-Ziele die Erderhitzung auf 1,8 Grad begrenzen würden. Das sagte der Chef der Behörde, Fatih Birol (63). «Das ist ein grosser Schritt nach vorne, aber es braucht noch viel mehr», schrieb Birol auf Twitter.

Das Ziel der Weltklimakonferenz ist es, das im Pariser Klimaabkommen bekräftigte 1,5-Grad-Ziel im Rahmen des Möglichen zu halten.

Landwehr setzt in Glasgow auf die Schweizer Vertretung unter Führung von Bundespräsident Guy Parmelin (61), die unter anderem mehr Transparenz und Fairness bei der Emissionskompensation fordert. Landwehr: «Die Schweizer Delegation hat immer eine sehr aktive Rolle bei den COPs gespielt. Das wird sie auch in Glasgow tun. Hier weiss man sehr genau um die Schweizer Möglichkeiten und die Schweizer Verantwortung.»

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