Am zweiten Tag der Klimakonferenz (COP26) reist die Polit- und Wirtschaftsprominzenz nach Glasgow an. Der britische Gastgeber Boris Johnson warnte, es sei eine Minute vor Mitternacht, um eine Klimakatastrophe zu stoppen. Er will am Gipfel dafür werben, die Massnahmen für den Klimaschutz zu beschleunigen. Schliesslich wird es auch um den Kohleausstieg gehen und um den schnelleren Umstieg auf die E-Mobilität.
Schaut man sich aber an, wie die Entscheidungsträgerinnen und -träger nach Glasgow reisen, hat man das Gefühl: Das alles gelte für die Schönen und Reichen nicht.
400 Privatjets in zwei Wochen
Die britische Zeitung «Daily Mail» hat am Montag eine Karte veröffentlicht, die zeigt, dass alleine am Sonntag 52 Privatjets nach Glasgow geflogen sind. Die Zeitung schätzt sogar, dass während der zweiwöchigen Konferenz bis zu 400 Privatjets in Glasgow landen werden. Laut Rechnungen sollen dafür – pessimistisch geschätzt – bis zu 13’000 Tonnen Kohlendioxid ausgestossen werden. Zum Vergleich: Das ist ähnlich viel wie 2600 Schweizerinnen und Schweizer zusammen pro Jahr ausstossen.
Unter der Prominenz, die mit dem Privatjet angereist sein soll, habe sich laut «Daily Mail» Amazon-Gründer Jeff Bezos befunden. Besonders heuchlerisch: Bezos, der regelmässig selber Vorträge zum Klimawandel hält, soll aus der Türkei mit seinem luxuriösen Gulfstream-Jet G650ER (Kostenpunkt: 60 Millionen Franken) angereist sein. Dort habe er auf einer Superyacht den 66. Geburtstag von Bill Gates gefeiert. Auf die Yacht sei er selbstverständlich mit dem Helikopter gelangt, wie es weiter heisst.
Biden bringt auch Helikopter und «The Beast» mit
Auch Prinz Charles sei mit einem «nicht kommerziellen» Flugzeug vom G20-Gipfel aus Rom nach Glasgow gereist. Ein Sprecher des Royals sagte zur «Daily Mail»: «Seine Königliche Hoheit hat sich persönlich für eine Umstellung auf nachhaltigen Treibstoff eingesetzt.» Und weiter: Der nachhaltige Treibstoff werde von nun an wann immer möglich verwendet.
Und dann sind da auch noch die Regierungschefinnen und -chefs: Angela Merkel, Emmanuel Macron, Joe Biden. Allein US-Präsident Biden und seine Entourage fliegen mit vier Flugzeugen zum Klimagipfel. Vor Ort stehen Biden dann zusätzlich ein Helikopter und die Präsidentenlimousine, der Cadillac «The Beast», und eine Armada an SUVs zur Verfügung.
Thunberg: eine Million Unterschriften
Unter den rund 28'000 Menschen, die in Glasgow erwartet werden, sind auch zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten, die auf den Strassen für eine ehrgeizigere Klimapolitik protestieren wollen – darunter die weltweit prominenteste Aktivistin, die 18-jährige Schwedin Greta Thunberg.
Ein offener Brief führender Aktivistinnen um Thunberg an die Staatenlenker der Erde fand in kurzer Zeit mehr als eine Million Unterstützer. Bis zum Montagnachmittag hatten den zum Start der Weltklimakonferenz veröffentlichten Aufruf fast 1,1 Millionen Menschen online mit ihrer E-Mail-Adresse unterzeichnet. In diesem fordern Thunberg, Vanessa Nakate aus Uganda, die Polin Dominika Lasota und Mitzi Tan von den Philippinen die Staats- und Regierungschefs auf, der Klimakrise endlich entscheidend und mit sofortigen und drastischen Massnahmen zu begegnen.
Umfrage unter 92 Klimaexperten
Viele Experten des Weltklimarates (IPCC) sehen die Entwicklung der Erderwärmung pessimistisch. Das berichtet die Fachzeitschrift «Nature» nach einer Umfrage unter 233 Autoren des letzten IPCC-Berichts vom August. Von jenen 92 Wissenschaftlern, die die Anfrage beantworteten, gingen etwa 60 Prozent davon aus, dass die Erde sich bis Ende des Jahrhunderts um mindestens 3 Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erwärmen wird.
Gut 20 Prozent der Wissenschaftler hielten es für wahrscheinlich, dass das Ziel, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen, noch erreicht wird. 4 Prozent hielten sogar eine Begrenzung auf 1,5 Grad für wahrscheinlich. Die Zeitschrift betont, dass die Umfrage nicht repräsentativ ist. (oco/SDA)