Die führenden Wirtschaftsmächte konnten sich am Sonntag bei ihrem G20-Gipfel im italienischen Rom nicht auf ehrgeizige gemeinsame Klimaziele einigen. Die Abschlusserklärung enthält weder für die wichtige Kohlendioxidneutralität noch für den Ausstieg aus der Kohleverstromung ein konkretes Zieldatum.
Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete die Beschlüsse nach ihrem wohl letzten G20-Gipfels trotzdem als «gutes Signal» für Glasgow. Klimaschützer zeigten sich dagegen enttäuscht von der Haltung der G20-Staaten, die 80 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgase produzieren. UN-Generalsekretär António Guterres, der am Sonntag vom G20- zum Klimagipfel weiterreiste, twitterte: «Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen - aber wenigsten sind sie nicht beerdigt.»
In den kommenden zwei Wochen ringen in Glasgow rund 200 Staaten darum, wie die Erderwärmung auf ein noch erträgliches Mass eingedämmt werden kann. Die bisherigen Pläne der Staaten reichen zur Abwendung der drohenden Klimakatastrophe bei weitem nicht aus.
Die Erde hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Niveau schon jetzt um etwa 1,1 Grad erwärmt; in Deutschland sind es bereits 1,6 Grad. In Paris hatte sich die Staatengemeinschaft vor sechs Jahren darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad, zu begrenzen.
Die G20 bekräftigt in der Gipfelerklärung nur, dass sie weiter den Zielen des Pariser Abkommens verpflichtet sei. Experten halten dafür aber eine deutliche Nachbesserung der Aktionspläne der einzelnen Länder für erforderlich.
Merkel wertete es als Erfolg, dass sich die «Gruppe der 20» überhaupt erstmals seit 2016 wieder gemeinsam zum Pariser Abkommen bekannt hätten. Danach war US-Präsident Donald Trump ausgestiegen. Sein Nachfolger Joe Biden, der in Rom erstmals an einem regulären G20-Gipfel teilnahm, machte diesen Schritt als eine seiner ersten Amtshandlungen wieder rückgängig.
Der Papst ermutigte vor der Klimakonferenz alle Staaten zu mehr Klimaschutz. «Beten wir, dass der Schrei der Erde und der Schrei der Armen gehört werden», sagte Franziskus vor zahlreichen Menschen auf dem Petersplatz in Rom.
G20 will Impfkampagnen in armen Ländern stärken
Zweites grosses Thema in Rom war die Pandemiebekämpfung. Die G20 stellte sich klar hinter das Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), bis Jahresende 40 Prozent der Bevölkerung in allen Ländern zu impfen und bis Mitte 2022 eine Impfrate von 70 Prozent zu erreichen. Die Staatengruppe will dafür die Versorgung mit Impfstoffen ausweiten und Liefer- und Finanzierungshindernisse beseitigen, wie es in der Gipfelerklärung heisst. Auch die internationale Covax-Plattform zur Verteilung von Impfstoffen, die bisher ihre Ziele nicht erreichen konnte, soll wirksamer arbeiten können.
Die G20-Staaten wollen auch lokale Herstellungskapazitäten unterstützen, indem Drehscheiben für Technologietransfer in verschiedenen Regionen gefördert werden. Genannt werden neu gegründete regionale Zentren in Südafrika, Brasilien und Argentinien. Auf die von G20-Staaten wie Südafrika, Indien und China geforderte Aussetzung von Patenten geht das Dokument nicht ein. Während in reichen Ländern heute schon rund 70 Prozent geimpft sind, liegt die Quote in armen Ländern teils nur bei drei Prozent.
Schnelle Umsetzung der Unternehmensbesteuerung gefordert
Deutschland und die anderen führenden Wirtschaftsmächte forderten in Rom auch eine schnelle Umsetzung der Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung. Man rufe dazu auf, zügig die notwendigen Vorschriften und Instrumente zu entwickeln, heisst in der Abschlusserklärung. Es gelte sicherzustellen, dass die Reform 2023 in Kraft treten könne.
Die Einigung auf die globale Mindeststeuer und einen neuen Steuerverteilmechanismus sei eine «historische Errungenschaft», mit der man ein stabileres und gerechteres internationales Steuersystem schaffen werde. Merkel (CDU) nannte sie «ein klares Gerechtigkeitssignal in Zeiten der Digitalisierung».
Ziel der Reform ist es vor allem, die Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Steueroasen zu verhindern. Grosse, international tätige Firmen sollen deswegen spätestens 2023 unabhängig von ihrem Sitz mindestens 15 Prozent Steuern zahlen.
Merkel wird mit Rosen verabschiedet - Scholz verspricht Kontinuität
Merkel wurde bei ihrem letzten G20-Gipfel mit einem Rosenstrauss verabschiedet. Die nur noch geschäftsführende Kanzlerin nahm gemeinsam mit ihrem wahrscheinlichen Nachfolger Olaf Scholz teil. Der Finanzminister versprach Kontinuität in der deutschen Aussenpolitik unter einer neuen Regierung. Alle wüssten, dass das Deutschland «mitten in der Europäischen Union mit seiner Bevölkerungszahl und seiner Wirtschaftskraft nicht am Rande stehen kann und die Welt kommentieren». Vielmehr müsse es einen tatkräftigen Beitrag leisten, «dass das auch funktioniert mit einer besseren Union in Europa».
(SDA)