Wie weiter mit Europa? Diese Frage spaltet in der Schweiz Gesellschaft, Politik – und allem die Wirtschaft. Wirtschaftsgrössen wie Eva Jaisli (65), Caroline Forster (44) und Yannick Berner (31) stehen auf der einen Seite, Hans-Jörg Bertschi (67) von der Unternehmervereinigung Autonomiesuisse auf der anderen Seite. Die Fronten sind verhärtet.
Dabei hatte alles so gut begonnen: Vor 25 Jahren – am 21. Juni 1999 – unterzeichneten die Schweiz und die EU das erste bilaterale Abkommen, fünf Jahre später folgte das zweite.
Die Bilateralen sind auch ein Vierteljahrhundert später noch immer eine Erfolgsgeschichte – so weit sind sich alle einig. Doch am weiteren Ausbau des bilateralen Wegs scheiden sich die Geister. Das von der EU gewünschte Rahmenabkommen hat der Bundesrat von sich aus beerdigt, zu gering die Erfolgschancen an der Urne.
Ginge es der Schweiz schlechter?
Nun sollen es also die Bilateralen III richten, eine Art nahtlose Fortsetzung des bilateralen Erfolgspfads. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen seither grundlegend verändert. 1999 hatte die Schweiz eben erst eine schwere Rezession überwunden, von der sich das Land nur langsam erholte. Die Neuregelung der Beziehungen mit der EU passte zur Aufbruchstimmung rund um die Jahrtausendwende.
Heute ist die Schweiz eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt, strotzt vor Selbstvertrauen. Wäre das auch ohne die Bilateralen möglich gewesen? «Wohl kaum», sagt Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann (58). «Die Frage ist aber, wie viel schlechter stünde die Schweiz ohne die Bilateralen da?»
Zumal sich jetzt zeigt, dass auch der bilaterale Weg seine Stolpersteine hat. «So fehlt zum Beispiel eine Ventilklausel bei der Personenfreizügigkeit. Damit liesse sich die Zuwanderung gerade in besonders starken Jahren besser steuern», so Straumann.
Die Befürworter sind aufgewacht
Das Problem: Die EU will eine Automatisierung der Beziehungen, das aber ist vielen Schweizern ein Gräuel, sie fürchten um Autonomie und direkte Demokratie. «Für die EU sind die Bilateralen lediglich eine Zwischenetappe auf dem Weg zu einem Rahmenabkommen», erklärt Straumann. «Nur deshalb haben wir in den einzelnen Abkommen so gute Konditionen bekommen.»
Das könnte sich nun rächen, die Unterstützung für die Fortsetzung des bilateralen Wegs bröckelt, namhafte Stimmen aus Politik und Wirtschaft haben sich schon länger dagegen in Stellung gebracht. Das Schweigen der Befürworter hingegen war umso erstaunlicher.
Immerhin: Zum Jubiläum sind sie aufgewacht. Das Bündnis Stark & Vernetzt, hinter dem über 90 Organisationen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft stehen, hat diese Woche mit Standaktionen in Schweizer Städten auf die Erfolgsgeschichte der Bilateralen aufmerksam gemacht. Die Botschaft ist klar: Es gilt, diesen Weg weiter zu beschreiten und das nächste Paket bilateraler Abkommen zu schnüren.
Gespaltenes Land
Noch ist offen, was die Verhandlungen mit der EU bringen werden. Straumann ist skeptisch: «Bei den Verhandlungen wird es keine mehrheitsfähige Lösung für die Schweiz geben.» Das Problem: Die EU spricht mit einer Stimme, die Schweiz mit vielen. «Nicht nur die Wirtschaft, auch alle Parteien – mit Ausnahme der SVP – sind in dieser Frage gespalten», so Straumann.
Gut möglich also, dass die Bilateralen I und II unsere Beziehungen zu Europa noch länger bestimmen werden: «Ist es wirklich so schlimm, die bestehenden Abkommen weiterzuführen und ab und zu ein paar Nadelstiche zu kassieren?», stellt Tobias Straumann die Frage in den Raum.