«Ihrem perfekten Engiadina Home soll nichts im Wege stehen», heisst es auf der Website der Luxusüberbauung Trais Sulais, die sich in Celerina GR im Bau befindet. Zu sehen sind Visualisierungen einer Überbauung, die grenzenlosen Luxus verspricht: eine exklusive Lounge, ein Weinkeller, ein Private-Spa und ein Home Cinema. Ist das Portemonnaie gross genug, sind den materiellen Annehmlichkeiten keine Grenzen gesetzt. Vermarktet werden die Eigentumswohnungen vom Luxusimmobilienmakler Wüst und Wüst.
Bei den Einheimischen hingegen hinterlässt das einen schalen Nachgeschmack. 22 einheimische Miethaushalte mussten ihr Zuhause verlassen, damit das Projekt umgesetzt werden kann. Den meisten davon wurde nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihre Heimat genommen.
Hausgemachte Wohnungsnot
Celerina GR ist eine beliebte Destination für Wintersportler. Direkt neben St. Moritz gelegen, bietet Celerina eins der grössten Skigebiete der Schweiz. Im Sommer 2022 machte die Berggemeinde aber aus anderen Gründen Schlagzeilen. Die Wohnüberbauung Chesa Faratscha, die 22 Miethaushalte beheimatete, sollte totalsaniert und zu Luxuswohnungen umgebaut werden.
Blick sprach damals mit verzweifelten Mietern. Ihre Angst, in ihrer Heimat nichts Bezahlbares mehr zu finden, wenn sie ihre Wohnung räumen müssen, war gross. Anfang Juni 2022 hatte die neue Besitzerin der Liegenschaft, die Neue Haus AG, die Bewohner über die ambitionierten Pläne informiert. Die betroffenen Mieter wehrten sich. Sie wandten sich an die Gemeinde und die Medien. Seither steht die Überbauung Chesa Faratscha in Celerina – die inzwischen unter dem Namen Trais Sulais vermarktet wird – symbolisch für die akute Wohnungsnot, mit der Einheimische in Berggebieten schweizweit zu kämpfen haben.
Mieter wehrten sich
Für kurze Zeit sah es so aus, als könnten die Einheimischen in Celerina etwas bewirken. Die Gemeinde liess verlauten, man wolle neue Lösungsansätze finden. Der Gemeindevorstand erliess eine Planungszone – also eine Art Bausperre – für das ganze Gemeindegebiet.
Doch inzwischen ist klar: Der Aufstand der Einheimischen hat nicht gefruchtet. Denn bereits sechs Monate später wurde die Bausperre wieder aufgehoben. Im Dezember 2022 wurde ein neues Wohnraumförderungsgesetz von der Gemeindeversammlung genehmigt. Das Gesetz soll dazu dienen, mehr bezahlbaren Wohnraum für Einheimische zu schaffen.
So weit, so gut. Doch um den bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, musste die erwähnte Planungszone wieder aufgehoben werden. Und damit gab die Gemeinde der Neue Haus AG freie Bahn, mit dem Bau ihrer Luxusüberbauung zu beginnen. Das Schicksal der Bewohner war damit besiegelt.
Einsprachen wurden abgewiesen
Zwei Einsprachen gegen das Baugesuch hat die Gemeinde abgewiesen. Die Stiftung Helvetia Nostras hat gegen den Beschluss des Gemeindevorstands beim Bündner Verwaltungsgericht eine Beschwerde eingereicht. Die Stiftung ist eng mit der Fondation Franz Weber verbunden, die 2006 die nationale Zweitwohnungsinitiative gegen den uferlosen Bau von Zweitwohnungen initiierte.
Seit Inkrafttreten der Zweitwohnungsinitiative gilt: In Gemeinden mit einem Anteil an Ferienwohnungen von 20 Prozent oder mehr dürfen keine neuen Zweitwohnungen mehr gebaut werden. Das Gesetz soll die Anzahl kalter Betten in Tourismusorten beschränken. Bloss: Die Umnutzung von Erstwohnungen zu Zweitwohnungen wird durch das Gesetz nicht beschränkt.
«Das Ausmass solcher Umwandlungen darf nicht unterschätzt werden», sagt Norbert Hörburger (50), Professor an der Fachhochschule Graubünden FHGR. Das Institut für Tourismus und Freizeit der FHGR hat die Umnutzungen von Erst- zu Zweitwohnungen in Bündner Gemeinden untersucht.
Das Resultat: In der untersuchten Gemeinde Flims etwa werden jährlich im Schnitt 22 Erstwohnungen zu Zweitwohnungen umgewandelt. Und das, obwohl der Zweitwohnungsanteil in der Gemeinde bereits bei 70 Prozent liegt.
«Die Problematik betrifft grundsätzlich alle touristischen Berggemeinden», sagt Hörburger. Solche Umwandlungen summieren sich über die Jahre und entziehen dem Wohnungsmarkt Erstwohnraum. «Dadurch kann sich die Wohnungsnot in den betroffenen Gemeinden drastisch zuspitzen», sagt Hörburger.
Sind die Leerstandsquoten in Schweizer Tourismusorten derart tief wie jetzt, haben Einheimische oder auch Saisonarbeitskräfte kaum noch Auswahl bei der Wohnungssuche. «Und wir reden dabei noch nicht über bezahlbaren Wohnraum», so Hörburger. Für Geringverdiener ist die Situation existenzbedrohend. (dvo)
Seit Inkrafttreten der Zweitwohnungsinitiative gilt: In Gemeinden mit einem Anteil an Ferienwohnungen von 20 Prozent oder mehr dürfen keine neuen Zweitwohnungen mehr gebaut werden. Das Gesetz soll die Anzahl kalter Betten in Tourismusorten beschränken. Bloss: Die Umnutzung von Erstwohnungen zu Zweitwohnungen wird durch das Gesetz nicht beschränkt.
«Das Ausmass solcher Umwandlungen darf nicht unterschätzt werden», sagt Norbert Hörburger (50), Professor an der Fachhochschule Graubünden FHGR. Das Institut für Tourismus und Freizeit der FHGR hat die Umnutzungen von Erst- zu Zweitwohnungen in Bündner Gemeinden untersucht.
Das Resultat: In der untersuchten Gemeinde Flims etwa werden jährlich im Schnitt 22 Erstwohnungen zu Zweitwohnungen umgewandelt. Und das, obwohl der Zweitwohnungsanteil in der Gemeinde bereits bei 70 Prozent liegt.
«Die Problematik betrifft grundsätzlich alle touristischen Berggemeinden», sagt Hörburger. Solche Umwandlungen summieren sich über die Jahre und entziehen dem Wohnungsmarkt Erstwohnraum. «Dadurch kann sich die Wohnungsnot in den betroffenen Gemeinden drastisch zuspitzen», sagt Hörburger.
Sind die Leerstandsquoten in Schweizer Tourismusorten derart tief wie jetzt, haben Einheimische oder auch Saisonarbeitskräfte kaum noch Auswahl bei der Wohnungssuche. «Und wir reden dabei noch nicht über bezahlbaren Wohnraum», so Hörburger. Für Geringverdiener ist die Situation existenzbedrohend. (dvo)
Die Einsprache sei noch am Laufen, bestätigt die Neue Haus AG gegenüber Blick. Doch ausbremsen lässt sich die neue Eigentümerin davon nicht. Die Wohnüberbauung in Celerina ist inzwischen eingerüstet. Blick weiss: Der Umbau ist bereits im Gange. «Wir sind zuversichtlich, dass die durch den Gemeindevorstand Celerina ausgesprochene Baubewilligung rechtens ist», sagt Jörg Röthlisberger, Kommunikationsverantwortlicher der Neue Haus AG, auf Anfrage.
Mieter mussten Gemeinde verlassen
Die 22 Mietwohnungen in drei Gebäuden sollen 14 Luxusbleiben der Extraklasse weichen. Alle Mieter mussten sich in den vergangenen Monaten ein neues Zuhause suchen. Gerade mal drei davon fanden etwas Neues in Celerina. Alle anderen mussten die Gemeinde verlassen.
«Wir wohnen jetzt im Unterengadin», sagt eine Mieterin, die anonym bleiben möchte. Hier hat sie mit ihrem Mann eine Wohnung gefunden, doch bleiben will sie nicht. Die Mieterin lebte über 20 Jahre im Chesa Faratscha und hat ihre Kinder in Celerina grossgezogen. «Unser soziales Umfeld ist in Celerina», so die Bündnerin. Sie gibt nicht auf und hofft darauf, in ihrer alten Heimat irgendwann wieder etwas zu finden.