Weil es im Walliser Tourismusort an bezahlbarem Wohnraum mangelt
Zermatt verpflichtet Hoteliers zum Bau von Personalwohnungen

In Zermatt fehlen die Wohnungen: Wer im Tourismusort künftig ein Hotel oder Ferienwohnungen bauen oder erweitern will, muss für die nötigen Personalwohnungen sorgen. Das erwischt die Hoteliers auf dem falschen Fuss.
Publiziert: 23.10.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2024 um 10:38 Uhr
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Zermatt reiht seit Jahren einen Übernachtungsrekord an den nächsten.
Foto: CHRISTIAN BEUTLER

Auf einen Blick

  • Zermatt verzeichnet touristischen Erfolg mit 2,7 Millionen Logiernächten
  • Gemeinde plant neue Unterkünfte für zusätzliches Personal
  • Wohnungen in Zermatt sind extrem teuer und knapp
  • 2023 stieg die Zahl der Übernachtungen um fast 20 Prozent
  • Planungszone gilt zunächst für drei Jahre
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Der touristische Erfolg in Zermatt VS ist gerade unheimlich: Im letzten Jahr zählte das Walliser Dorf fast 2,7 Millionen Logiernächte. Mehr hatten nur die beiden Grossstädte Genf und Zürich, die beide über einen internationalen Flughafen verfügen.

Zermatt reiht seit Jahren – die Corona-Pandemie ausgenommen – einen Übernachtungsrekord an den anderen. Allein 2023 betrug das Plus fast 20 Prozent. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Gemäss der Gemeinde sind aktuell 500 zusätzliche Hotelzimmer und bewirtschaftete Wohnungen geplant. Das ist eigentlich erfreulich, verschärft jedoch ein Problem, mit dem Zermatt seit längerem zu kämpfen hat. Im Weltkurort hat es zu wenig bezahlbare Wohnungen. «Wird bei all diesen Projekten nicht gleichzeitig neuer Wohnraum gebaut, steigt der Druck auf dem Wohnungsmarkt noch stärker an», sagt Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser (54) zu Blick.

«Alle Leistungspartner sind gefragt»

Die Gemeinde ist deshalb nun mit einer Planungszone vorgeprescht. Plant ein Beherbergungsbetrieb einen Aus- oder einen Neubau, muss er künftig für das zusätzliche Personal Unterkünfte nachweisen können – oder diese bauen. Vorausgesetzt, durch das Projekt entstehen mehr als fünf neue Arbeitsplätze. Der Erlass liegt seit letztem Freitag auf der Gemeindekanzlei auf. Wer dagegen einsprechen will, muss innerhalb von 30 Tagen aktiv werden.

«Die öffentliche Hand kann das Problem mit den fehlenden Wohnungen nicht allein lösen. Dabei sind alle Leistungspartner und Einwohner gefragt», so Biner-Hauser.

Eine Suche auf Immobilienportalen bringt die aktuelle Lage auf den Punkt: eine 1,5-Zimmer-Wohnung für 1600 Franken pro Monat. Eine 2,5-Zimmer-Wohnung für 2500 Franken. Die 4,5-Zimmer-Wohnung für fast schon erschwingliche 2900 Franken hat einen Haken: Wohngemeinschaften sind nicht willkommen. Und dann gibt es noch ein paar Luxusobjekte wie eine 5,5-Zimmer-Wohnung mit Spa für 8000 Franken. Wer an einer Hotelrezeption oder im Housekeeping arbeitet, kann sich solche Mieten nicht leisten.

Hotelierverein war nicht informiert

Der Gemeinderat hat mit dem Erlass einer Planungszone viele im Dorf überrascht: auch beim Hotelierverein. Man sei im Vorfeld nicht informiert worden, heisst es in einer Stellungnahme, die Blick auf Anfrage erhält. «Auch konnten wir unsere Inputs als Kenner der Branche nicht einbringen.» Für die genaue Umsetzung und Handhabung will der Verein nun das Gespräch mit der Gemeinde suchen.

Die Regelung gilt erst mal für drei Jahre und könnte anschliessend von der Urversammlung verlängert werden.

Die Planungszone könne durchaus eine Massnahme sein, um diese Not ein wenig zu lindern, schreibt der Hotelierverein weiter. Man sei jederzeit dazu bereit, Hand zu bieten, um Lösungen zu finden. «Das Problem der Wohnungsnot werden wir aber nicht allein lösen können», führt der Verein aus. Viele Hoteliers hätten ihre Hausaufgaben in den letzten Jahren gemacht und Wohnraum für ihre Mitarbeitenden gebaut.

Erstwohnungen sind weniger lukrativ

Das Wohnungsangebot in Zermatt ist in den letzten fünf Jahren zwar gewachsen. Gemäss Gemeinde zählte das Dorf im letzten Jahr 5733 Einwohnerinnen und Einwohner. Das ist eine Zunahme von 300 Personen gegenüber 2019. Doch mit der laufenden Umnutzung von Erst- in Zweitwohnungen und dem touristischen Wachstum steigt der Bedarf nach Wohnraum noch deutlich schneller.

Bisherige Initiativen zur Schaffung von Erstwohnungen zeigen, wie schwierig die Ausgangslage ist. So unterstützte die Gemeinde vor über zwei Jahren die Gründung der «Genossenschaft zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum im inneren Mattertal». Diese soll Liegenschaften mieten oder kaufen und so bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen. Doch aus Sicht der Eigentümer scheint das wenig attraktiv zu sein. Mit Ferienwohnungen lässt sich deutlich mehr Geld verdienen. Ein Schicksal, das Zermatt mit vielen anderen Tourismusgemeinden teilt.

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