Auf einen Blick
Wer in diesen Gemeinden eine neue Bleibe sucht, muss den Wohnort verlassen: In über 200 Schweizer Gemeinden steht aktuell keine einzige Wohnung leer. Dazu gehören unter anderem Zuzwil BE, Thalheim AG, Beinwil SO und Schlatt TG. Die Gemeinden stehen im Kleinen dafür, was im Grossen schiefläuft: Das Angebot an Mietwohnungen schwindet schweizweit, bis nichts mehr übrig bleibt.
Das zeigen die neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Gemäss diesen stehen aktuell noch 51'974 Wohneinheiten landesweit frei – wo wenige wie noch nie zuvor. Die nationale Leerwohnungsziffer sank damit auf 1,08 Prozent. Es ist der vierte Rückgang in Folge. Ab einem Wert unter 1 Prozent sprechen Experten von Wohnungsnot.
Vor allem Mietwohnungen fehlen
Der Wohnungsmangel trifft vor allem Mieterinnen und Mieter: Die Anzahl leerstehender Mietwohnungen ist seit 2021 stark rückläufig. Dieses Jahr sank sie um 8,6 Prozent auf 40'423 unbewohnte Wohnungen. Hingegen stieg die Zahl der unbewohnten und zum Kauf angebotenen Wohnungen und Eigenheime innert Jahresfrist um 9,5 Prozent auf insgesamt 11'551 an.
Im Kantonsvergleich lag die tiefste Leerwohnungsziffer mit 0,39 Prozent im Kanton Zug, gefolgt von den Kantonen Obwalden mit 0,44 Prozent und Genf mit 0,46 Prozent. In 18 Kantonen nahm die Ziffer gegenüber dem Vorjahr ab, in acht nahm sie zu.
Erstaunlich: Der Kanton Zürich gehört zu jenen Kantonen, wo wieder mehr Wohnungen auf dem Markt sind. Die Leerstandsquote stieg marginal von 0,53 Prozent auf 0,56 Prozent. Laut dem Statistischen Amt des Kantons dürfte das auf den Wohnungsbau zurückzuführen sein, der gegenüber dem Vorjahr leicht zugenommen hat.
Situation verschärft sich
Die Leerwohnungsziffer ist ein Gradmesser für den Schweizer Wohnungsmarkt: Es handelt sich um den prozentualen Anteil der leerstehenden Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand. Die Zahlen werden jährlich am Stichtag 1. Juni erhoben. Es gelten nur diejenigen Wohnungen als Leerwohnungen, die auf dem Markt zur Dauermiete oder zum Kauf angeboten werden.
«Die Zahlen bestätigen unsere Einschätzung, dass die Knappheit sich weiter verschärft», sagt Ursina Kubli (44), Leiterin Immobilien Research der ZKB. Daran dürfte sich vorerst nichts ändern. «Denn die Zahl der baubewilligten Wohnungen wird nicht reichen, die Zusatznachfrage nach Wohnraum zu stillen.»
Baugesuche werden blockiert
Das Problem: Bauvorhaben sind nicht nur teuer, sondern mit wachsenden Risiken verbunden. Unter anderem wird es zunehmend schwierig, überhaupt eine Baubewilligung zu erhalten. Gemäss einer Studie von Raiffeisen wurden im ersten Quartal 2024 knapp ein Drittel aller Gesuche abgelehnt.
«Es müssen so viele Bauhemmnisse wie möglich aus dem Weg geräumt werden», sagt Raiffeisen-Immobilienexperte Fredy Hasenmaile (57). Einsprachen können Bauvorhaben um Jahre verzögern. Der Baumeisterverband fordert deshalb, dass die Einsprachemöglichkeiten eingeschränkt werden.
Parlament lenkt ein
Auch das Parlament will den Wohnungsbau erleichtern. Am Dienstag hat der Nationalrat entschieden, dass an lärmigen Strassen und Flughäfen gebaut werden soll. Konkret sollen in der Schweiz künftig Baubewilligungen für Wohnungen in Gebieten mit überschrittenem Lärm-Immissionsgrenzwert unter folgenden Bedingungen zulässig sein: Bei jeder Wohneinheit verfügt mindestens ein lärmempfindlicher Raum über ein Fenster, bei dem die Grenzwerte eingehalten sind.
Diese Massnahmen allein dürften die Wohnungsnot jedoch noch nicht abwenden. «Langfristig müssen wir die Zuwanderung dosieren», gibt Hasenmaile zu bedenken. «Und Fehlanreize korrigieren, welche verhindern, dass ungenutzte Wohnflächen bebaut werden.»