Vorsorge-Abzocke der FInanzindustrie unter Beschuss
Erster Anbieter streicht PK-Gebühren zusammen

Die Pensionskassen-Gebühren spülen der Finanzindustrie jedes Jahr Milliarden in die Kassen. Die Versicherten müssen zahlen, die Politik schaut zu. Jetzt kommt Bewegung in die Sache – aus der Branche selbst.
Publiziert: 28.05.2023 um 17:22 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2023 um 17:23 Uhr
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Jedes Jahr steigen die Pensionskassen-Gebühren.
Foto: keystone-sda.ch
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Die Renten sinken seit Jahren. Aber die Gebühren der Finanzindustrie für die Verwaltung der Pensionskassengelder steigen. Mittlerweile schöpft die Branche 20 Milliarden Franken pro Jahr ab – 4500 Franken pro Versicherten. Mehr als die Hälfte sind versteckte Kosten, von denen kaum jemand weiss.

Ein grosser Brocken ist die sogenannte Managementgebühr, welche die Vermögensverwalter jährlich einziehen. Sie wird je nach Höhe des verwalteten Volumens erhoben, wächst also im Gleichschritt mit dem Pensionskassenvermögen. Das schenkt ein, denn dieses Vermögen wächst massiv: Als 1985 das Pensionskassen-Obligatorium eingeführt wurde, lagen 150 Milliarden Franken im Schweizer Vorsorgetopf – 55 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Heute sind es 1200 Milliarden, sage und schreibe 160 Prozent des BIP.

Der Personalaufwand pro verwaltetem Franken hingegen ist nicht gestiegen, weshalb die Finanzdienstleister mit jedem zusätzlichen Vorsorgebatzen mehr Profit machen. Ihre Leistung spielt dabei keine Rolle: Die Managementgebühr wird grundsätzlich immer fällig, unabhängig von der erzielten Rendite. Ob diese im Minus ist oder im Plus, hat auf die Höhe keinen Einfluss.

Bundesbern hilft nicht

In Bundesbern ist das bekannt. Doch Bundesrat und Parlament unternehmen nichts gegen die auf Kosten der Versicherten steigenden Profite der Finanzindustrie. Mancher bürgerliche Politiker sitzt selbst im Verwaltungsrat einer Versicherung oder einer Bank. Und die Linken kümmern sich lieber um die AHV. Folge: Immer mehr Vorsorgegeld fliesst in die Kassen der Finanzdienstleister ab.

Nun aber kommt Bewegung in die Sache – aus der Branche selbst. «Die Politik streitet ausschliesslich darüber, welche Versicherten den Gürtel enger schnallen müssen, um die zweite Säule am Leben zu erhalten», sagt Unternehmer und Vorsorgespezialist Serge Aerne (44). «Aber niemand spricht darüber, dass auch die Finanzindustrie einen Beitrag leisten kann.»

Das will Aerne ändern. Er ist Verwaltungsratspräsident des Immobilien- und Dienstleistungsunternehmens Admicasa, das für Anlagestiftungen Vorsorgegelder in Häuser investiert. Wie die anderen Finanzdienstleister kassierte Admicasa bisher eine pauschale Managementgebühr. «Die ist zwar gut fürs Geschäft», sagt Aerne. «Aber sie ist schlecht für die Versicherten, die keinen Einfluss darauf haben.» Für den Unternehmer ist klar: «Wir müssen die Gebührenflut im Vorsorgemarkt stoppen.»

Deshalb schafft Admicasa die Managementgebühr ab. Ab Juni ersetzt Aerne sie durch ein gedeckeltes Geschäftsführungshonorar, das nur noch die effektiven Kosten der Vermögensverwaltung abdeckt. Ab 60 Millionen verwaltetem Vorsorgegeld sparen die Versicherten damit im Vergleich zur linearen Managementgebühr stetig mehr. Bei einer Milliarde macht der Unterschied satte zwei Millionen Franken aus – pro Jahr.

Mehr Transparenz

Darüber hinaus rückt Aerne auch den versteckten Gebühren zu Leibe: Admicasa weist als erste Anbieterin sämtliche Kosten aus. «Nur so können die Versicherten uns realistisch beurteilen», so der Vorsorgespezialist. «Wenn andere Anbieter nachziehen, schafft das endlich Vergleichbarkeit.» Die sei heute im Pensionskassenmarkt nicht vorhanden.

Als erste Kundin profitiert die Anlagestiftung Terra Helvetica vom neuen Gebührenmodell. Stiftungsratspräsident André Schlatter (61) sagt: «Das bisherige Modell erhebt Honorare für die externe Vermögensverwaltung mit einem festen proportionalen Satz vom Anlagevolumen. Es wird dann unhaltbar, wenn die Honorare in keinem angemessenen Verhältnis mehr zum erbrachten Aufwand stehen.»

In Zeiten von sinkenden Umwandlungssätzen und tieferen technischen Zinssätzen sei die Reduktion von unangemessen hohen, weil proportionalen Gebühren ein Gebot des Anstands, sagt Schlatter. «Das neue Modell entschädigt den externen Vermögensverwalter für seine Arbeit angemessen, aber es orientiert sich mehr am getätigten Aufwand. Damit bleibt mehr für die Renten übrig – und darum sollte es in der zweiten Säule ja eigentlich gehen.»

Die Abschaffung der Managementgebühr ist für Admicasa nur ein erster Schritt. Das Unternehmen will künftig eine Performancegebühr einführen. Dabei erhält der Vermögensverwalter nur dann eine Entschädigung, wenn er das Renditeziel erreicht. Tut er es nicht, geht er leer aus. Damit soll erstmals die Leistung des Anbieters darüber entscheiden, wie viel die Vorsorgeversicherten für die Vermögensverwaltung bezahlen müssen.

Der Verband der Schweizer Asset-Manager erklärt gegenüber SonntagsBlick, Admicasa trage zur Vielfalt der Gebührenmodelle bei. Empfiehlt der Verband das neue Modell seinen Mitgliedern? «Die Gebührenstrukturen sind grundsätzlich Sache der Asset-Manager», sagt der Verband. Die Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr. Hinter den Kulissen rumort es gewaltig. Die Branche fürchtet um ihre Pfründe. Denn ab Juni haben die Pensionskassen eine Alternative zur teuren Managementgebühr.

Der Pensionskassenverband Asip teilt mit, Diskussionen über Gebührenmodelle, die bei gleicher Sicherheit zu geringeren Kosten mindestens die gleiche Rendite bieten würden, seien erwünscht. Wichtig sei eine faktenorientierte und faire Kommunikation.
Der Pensionskassenmarkt bewegt sich – wohl ganz im Sinne der Versicherten.

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