Oberster Pensionskassen-Direktor verteidigt Finanzindustrie
«Die Gebühren sind nicht zu hoch!»

Die Pensionskassen sind verantwortlich für die Vorsorgegelder von 4,5 Millionen Versicherten – und schauen zu, wie die Finanzindustrie jedes Jahr Milliarden an Gebühren abschöpft. Hanspeter Konrad, Direktor des Pensionskassenverbands, findet das in Ordnung.
Publiziert: 02.04.2023 um 01:02 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2023 um 16:28 Uhr
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Hanspeter Konrad ist seit 2004 Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands (Asip).
Foto: Philippe Rossier
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Herr Konrad, ist die zweite Säule noch zu retten?
Hanspeter Konrad: Wir müssen sie reformieren, um vor allem den demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Aber die zweite Säule ist nicht am Boden zerstört. Schauen Sie die letzten Jahre an: Die Pensionskassen erbringen ihre Leistungen und erzielen gute Renditen, die sie den Versicherten weitergeben.

Die Renditen der letzten Jahre waren schlecht.
Sie waren nur im letzten Jahr schlecht, in den Jahren zuvor waren sie hervorragend.

Dann ist nicht nachvollziehbar, warum die Finanzindustrie seit Jahren auf ein renditefeindliches Zinsumfeld verweist, um die tiefe Verzinsung der Altersguthaben, sinkende Renten und die Forderung nach einer Senkung des Umwandlungssatzes zu rechtfertigen.
Doch, das ist nachvollziehbar. Die Zinsen machen nur einen Teil der Rendite auf dem angesparten Alterskapital aus. Hinzu kommen zum Beispiel Aktiengewinne und Renditen von Immobilien. Darauf sind die guten Ergebnisse zurückzuführen.

Warum braucht es dann überhaupt eine Reform?
Letztlich geht es darum, auch in den BVG-Minimalkassen die systemwidrige Umverteilung von den Jüngeren zu den Älteren zu unterbinden.

Persönlich: Hanspeter Konrad

Hanspeter Konrad (1958) ist seit 1. April 2004 Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands (Asip). Davor leitete der Jurist bei Sulzer den Bereich Vorsorgesysteme und Pensionskassen. Er ist auch Mitglied des Geschäftsleitenden Ausschusses des Sicherheitsfonds BVG und vertritt den Asip in weiteren Organisationen und Fachkommissionen. Mitte 2023 geht Konrad in den Ruhestand und gibt sein Amt an Lukas Müller-Brunner ab.

Hanspeter Konrad (1958) ist seit 1. April 2004 Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands (Asip). Davor leitete der Jurist bei Sulzer den Bereich Vorsorgesysteme und Pensionskassen. Er ist auch Mitglied des Geschäftsleitenden Ausschusses des Sicherheitsfonds BVG und vertritt den Asip in weiteren Organisationen und Fachkommissionen. Mitte 2023 geht Konrad in den Ruhestand und gibt sein Amt an Lukas Müller-Brunner ab.

Der Preis ist laut Schweizerischem Gewerkschaftsbund ein durchschnittlicher Rentenverlust von 270 Franken.
Pauschalierungen verzerren das Bild. Es gibt vergleichsweise geringe Einbussen für gewisse Altersgruppen, aber auch Rentenerhöhungen.

Klar ist: Es kommt zum Referendum. Wäre das zu vermeiden gewesen?
Vermutlich nicht. Die politische Linke wollte von Anfang an nur am Sozialpartnerkompromiss festhalten, der unter anderem Umlageelemente mit AHV-Charakter in die berufliche Vorsorge eingebaut hätte. Deshalb hatte dieser Vorschlag im Parlament zu Recht keine Chance.

Wie müsste die Reform Ihrer Meinung nach aussehen?
Nach unserer Überzeugung ist eine zusätzliche Finanzierung der notwendigen Kompensationen gar nicht nötig. Die Pensionskassen und die Versicherer haben genügend Rückstellungen dafür gebildet. Doch Bundesrat und Parlament haben anders entschieden. Nun führt die Reform zu einer teuren Überkompensation anstelle eines zielgerichteten Leistungsausgleichs.

Könnte es also sein, dass der Pensionskassenverband die Reform am Ende gar nicht unterstützt?
Das ist noch offen. Wir führen eine Mitgliederbefragung durch und entscheiden dann.

Im Pensionskassentopf liegen mittlerweile 1200 Milliarden Franken, aber die Renten sinken seit Jahren. Wäre es da nicht besser …
Moment! Es wird immer wieder kolportiert, dass die Renten sinken. Aber das trifft in dieser absoluten Form nicht zu. Wenn wir zum Beispiel ledige Neurentner und ledige Neurentnerinnen miteinander vergleichen, sehen wir keinen Unterschied. Und die Renten sind mindestens gleich hoch geblieben, wenn nicht sogar gestiegen.

Die Renten steigen?
Sie sind zwar für gewisse Versichertengruppen gesunken, aber nicht so absolut, wie es oft behauptet wird.

Wäre es aus Sicht der Versicherten nicht effizienter, mehr in die AHV zu investieren und weniger in die berufliche Vorsorge?
Nein. Wir haben mit der ersten und zweiten Säule eine gute Struktur für unsere Altersvorsorge gebaut. Jede Säule hat ihre Stärken und Schwächen. Wenn wir zum Beispiel die AHV ausbauen, erhöhen wir die demografischen Risiken.

Die AHV kostet einen Versicherten 50 Franken Verwaltungsgebühren im Jahr. In der zweiten Säule sind es laut Eidgenössischer Finanzkontrolle 1500 Franken. Das ist ein beträchtlicher Unterschied.
Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Denn die AHV funktioniert völlig anders als die zweite Säule, bei der für jeden Versicherten individuell ein persönliches Sparkonto angehäuft wird. Zudem ist es aussagekräftiger, die Kosten in Relation zum Vermögen zu stellen. Dies beläuft sich auf insgesamt 1200 Milliarden Franken. Die Vermögensverwaltungskosten betragen 0,5 Prozent.

Die Finanzunternehmen, die die Vorsorgevermögen verwalten, streichen diese Gebühren ein – egal, ob sie eine gute oder eine schlechte Rendite für die Versicherten erzielen. Warum hinterfragen die Pensionskassen dieses Prinzip nicht?
Es gibt Diskussionen über die Anlageziele. Und wenn die Leistung nicht stimmt, können die Kassen den Anbieter wechseln. Gerade Kassen mit hohen Vermögen haben durchaus Verhandlungsmacht.

Als Direktor des Pensionskassenverbands vertreten Sie rund 950 Pensionskassen – und damit auch deren Versicherte. Setzen Sie sich für tiefere Gebühren ein?
Ja sicher, aber die Gebühren sind in Relation zum verwalteten Vermögen heute nicht zu hoch. Im Gegenteil: Die Vermögensverwaltungskosten sind über die Zeit gesunken – und damit die Gebühren, die die Versicherten an die Finanzindustrie bezahlen.

Anerkannte Studien wie diejenige von Swisscanto, hinter der die Zürcher Kantonalbank steht, stellen das Gegenteil fest: Die Gebühren steigen.
Sie liegen heute bei 0,5 Prozent des verwalteten Vermögens. Dieser Ansatz ist angemessen.

Diese 0,5 Prozent beziffern lediglich die offengelegten Kosten. Es gibt aber auch versteckte Gebühren in Milliardenhöhe, von denen die Versicherten nichts wissen. Das ist alles andere als transparent.
Schaut man genauer hin, sind diese Gebühren gar nicht versteckt. Sie werden ausgewiesen, wenn die Pensionskassen nachfragen.

Gibt es eine gesamtschweizerische Statistik, die diese Kosten erfasst?
Meines Wissens nicht. Diese Kosten sind aber auch substanziell tiefer und deshalb zu Recht weniger im Fokus der Transparenz.

Sehr wahrscheinlich ist das Gegenteil der Fall. Trotzdem wird die Finanzindustrie mit Nachfragen der Pensionskassen offenbar selten behelligt. SonntagsBlick hat unlängst versteckte Kosten bei der Pensionskasse Solothurn publik gemacht. Der Geschäftsführer dieser Kasse war ehrlich überrascht.
Die Kasse geht dem nach. Die Kosten werden regelmässig auf Verbesserungspotenzial und Optimierung hin analysiert. Entscheidend ist jedoch immer die erzielte Nettorendite.

Der Geschäftsführer der PK Solothurn würde es begrüssen, wenn es künftig eine Pflicht zur Offenlegung der versteckten Kosten geben würde. Was ist Ihre Meinung?
Transparenzsteigernde Massnahmen können geprüft werden. Sie müssen aber auch umsetzbar sein, ohne neue zusätzliche Kosten zu verursachen.

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