Zum Wochenbeginn stieg der Ölpreis stark an. Grund dafür war einerseits die Ankündigung von Saudi-Arabien und weiterer Opec-Länder, die Ölproduktion zu drosseln, andererseits auch das Versprechen Russlands, die zuvor angekündigte Produktionskürzung bis Ende 2023 fortzusetzen. Russland wollte die Fördermenge um 500'000 Barrel pro Tag senken, um auf die Preisobergrenze der G7 und der Schweiz zu reagieren.
Doch die russische Produktionsdrosselung scheint gar keine zu sein. In der letzten Märzwoche stiegen die russischen Rohöl-Verschiffungen um 1 Million Barrel auf einen neuen Höchststand von 4,13 Millionen Barrel pro Tag. Dies geht aus von Bloomberg zusammengestellten Tanker-Überwachungsdaten hervor. Der Vier-Wochen-Durchschnitt stieg auf den höchsten Stand seit Juni. Diese Exportzahlen deuten nicht darauf hin, dass die angekündigte Kürzung umgesetzt wurde.
Wohin geht das Öl?
Der Anstieg der Rohöl-Verschiffungen hängt damit zusammen, dass die Druschba-Pipeline nach Polen und Deutschland nicht mehr aktiv ist. Stattdessen wird das Öl vermehrt auf dem Seeweg verschifft, primär nach China, Indien und die Türkei. Einige Tanker fahren auch zu bei Fahrbeginn nicht bekanntgegebenen Orten. Die Ströme nach China und Indien sind auf einem Höchststand. Es finden auch Auslieferungen nach Afrika statt, während im Mittelmeer Umladungen auf andere Schiffe durchgeführt werden.
Russlands Rohölexporte auf dem Seeweg in europäische Länder stiegen bis zum 31. März wieder auf 104'000 Barrel pro Tag. Dieses gesamte Öl wurde nach Bulgarien verfrachtet; die Ausfuhren in die Türkei sind darin nicht berücksichtigt.
Die Zuflüsse in die Kreml-Kasse aus den Rohöl-Ausfuhrzöllen stieg in der letzten Märzwoche um 14 Millionen Dollar auf einen 11-Wochen-Höchststand von 56 Millionen Dollar. Die Durchschnittseinnahmen im letzten Monat stiegen um 4 Millionen Dollar auf einen Sieben-Wochen-Höchststand von 47 Millionen Dollar.
Warum wird nicht reduziert?
Der Finanzbedarf des Kreml, etwa für den Krieg in der Ukraine, erklärt nur bedingt, weshalb die Produktion offenbar nicht gedrosselt wird. Bloomberg mutmasst, dass Wartungsarbeiten in russischen Raffinerien ohnehin schon eine Produktionskürzung nach sich zogen und somit eine weitere Produktionskürzung verunmöglichten. Demgegenüber steht die Vermutung, dass strategische Partner im asiatischen Raum nun verstärkt mit Rohöl «geschmiert» werden. Dort kommt auch die Preisobergrenze nicht zum Tragen.
Da jedoch westliche Versicherer über die Hälfte der russischen Tankerflotte versichern, darf davon ausgegangen werden, dass ein grosser Teil der russischen Öl-Verkäufe unterhalb der von der G7 festgelegten Obergrenze von 60 Dollar pro Barrel erfolgt.