Eine geheimnisvolle Flotte hilft Russlands Präsident Wladimir Putin (70), Öl um die Welt zu transportieren. Damit kann er den von der EU, den G7-Staaten und Australien eingeführten Preisdeckel für russisches Erdöl umgehen. Branchenkenner schätzen die Grösse dieser Schattenflotte auf etwa 600 Schiffe. Das sind etwa 10 Prozent der grossen Tanker weltweit, wie CNN berichtet. Und die Zahl wächst weiter.
Als Reaktion auf den russischen Angriff gegen die Ukraine verbietet die EU Erdöl-Importe aus Russland auf dem Seeweg. Weil man angesichts dieser Verknappung mit einem Preisanstieg von Erdöl auf dem internationalen Markt rechnen musste, ergänzte die EU die Massnahme mit einem Preisdeckel: Länder wie China, Indien oder die Türkei, die sich nicht nach den westlichen Sanktionen richten und weiterhin aus Russland importieren, sollen nicht mehr als 60 Dollar pro Fass bezahlen. Technisch wird dies umgesetzt, indem man westlichen Flottenbetreibern zwar weiterhin erlaubt, russisches Erdöl in Drittstaaten zu transportieren. Der Transport wird jedoch durch die mehrheitlich ebenfalls westlichen Versicherer nur im Falle einer Einhaltung des Preisdeckels abgedeckt.
Exporte nach China und Indien erreichen Rekordwerte
Viele westliche Unternehmen zogen sich deshalb aus dem Transport von russischem Öl zurück. Gleichzeitig ist Russland bestrebt, nicht mehr mit westlichen Verladern zusammenzuarbeiten. In der Folge traten neue, undurchsichtige Akteure auf den Plan, wobei in einigen Fällen Strohfirmen in Dubai oder Hongkong beteiligt sind. Einige von ihnen kauften laut dem CNN-Bericht Tanker von europäischen Firmen, andere nutzen alte Schiffe, die sonst vielleicht auf dem Schrottplatz gelandet wären.
Nach Angaben des Daten- und Analyseunternehmens Kpler erreichten im Januar die russischen Ölexporte nach China und Indien Rekordwerte. Auch die Ausfuhren in die Türkei stiegen weiter an. In seinem Bemühen, den Betrieb aufrechtzuerhalten, hat Russland als zweitgrösster Erdölexporteur der Welt jahrzehntealte Handelsmuster umgestaltet und das weltweite Transportsystem in zwei Teile gespalten. Das sagt Richard Matthews, Leiter der Forschungsabteilung bei EA Gibson, einem internationalen Schiffsmakler. «Es gibt die Flotte, die keine russischen Geschäfte macht, und dann gibt es die Flotte, die fast ausschliesslich russische Geschäfte macht», erklärt Matthews. Nur einige wenige Schiffe, fügt er hinzu, würden ein bisschen von beidem machen.
Warnung vor Sicherheitsproblem
Ein leitender Angestellter eines Ölhandelsunternehmens schätzt dem CNN-Bericht zufolge, dass pro Monat 25 bis 35 Schiffe an die Schattenflotte verkauft werden. Die gemeinnützige Organisation Global Witness glaubt, dass bei einem Viertel der Verkäufe von Öltankern zwischen Ende Februar 2022 und Januar dieses Jahres unbekannte Käufer beteiligt waren.
Matthews warnt vor einem Sicherheitsproblem. Die Betreiber der Schattenflotte hätten «all diese alten Schiffe, die wahrscheinlich nicht so gewartet werden, wie sie es sollten», sagt der Schifffahrts-Experte. «Die Wahrscheinlichkeit eines grösseren Lecks oder Unfalls steigt mit dem Wachstum der Flotte von Tag zu Tag.»