Angriff oder Propaganda?
Russischer Neonazi führte Saboteure in Brjansk an

In die russische Stadt Brjansk sollen pro-ukrainische Saboteure eingedrungen sein. Putin sprach per Video zur Nation und bezeichnete den Angriff als «Terroranschlag». Doch die verbreiteten Videos passen nicht zur russischen Propaganda.
Publiziert: 02.03.2023 um 14:27 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2023 um 16:29 Uhr
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Putin wirft der Ukraine einen «Terroranschlag» auf die russische Stadt Brjansk vor.
Foto: keystone-sda.ch

Was ist in Brjansk los? In der südwestlichen Oblast nahe der Grenze zur Ukraine ist es nach Angaben von Moskau offenbar zu schweren Gefechten gekommen. Der russische Präsident Wladimir Putin (70) sprach am Donnerstag öffentlich von einem «Terroranschlag» der Ukraine. «Sie haben gesehen, dass es ein Zivilauto war, sie haben gesehen, dass Zivilisten dort sassen und Kinder das Feuer auf sie eröffneten», sagt er. Ukrainische Beobachter warnten vor russischer Desinformation.

Nach Angaben des Gouverneurs der Region, Alexander Bogomas, seien «ukrainische Saboteure» in die Dörfer Ljubetschane und Suschani eingedrungen und hätten ein Auto beschossen. Auf Telegram schrieb Bogomas, dass ein Mensch getötet und ein zehnjähriges Kind verwundet worden seien. Später teilte er mit, dass ein weiterer Mann mit Jahrgang 1966 ebenfalls verstarb.

Zudem berichteten regierungstreue Medien, dass die mutmasslichen Angreifer auch noch Geiseln genommen hätten. Die Verwaltung der Ortschaft Suschany dementierte dies später.

Laut dem russischen Geheimdienst FSB hätten russische Kräfte mit Unterstützung des Verteidigungsministeriums einen Einsatz zur «Vernichtung bewaffneter ukrainischer Nationalisten» , die die Grenze übertreten hätten, durchgeführt. Unabhängig überprüfen liessen sich diese Angaben zunächst nicht. Zudem wurden bisher weder Videos noch Fotos der Vorfälle publiziert.

Ukraine weist Anschuldigungen zurück

Ein Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, sprach von einer «klassischen Provokation». Russland wolle die eigenen Leute einschüchtern, um den Angriffskrieg bei wachsender Armut zu rechtfertigen.

«Die Partisanenbewegung in Russland wird stärker und aggressiver. Fürchtet Eure Partisanen!», twittere Podoljak. Die ukrainischen Behörden wiesen Medienberichte über eine angebliche Geiselnahme und den Beschuss eines Schulbusses zurück. Nahe der Grenze gebe es seit Monaten wegen erhöhter Terrorgefahr nur Fernunterricht.

«Russisches Freiwilligenkorps» postet Bekennervideo

In Telegram-Kanälen und auf Twitter wurden gleichzeitig Videos von Personen in Brjansk gepostet, die sich selbst als «Vertreter des russischen Freiwilligenkorps» bezeichnen und Verantwortung für die Angriffe übernehmen. Sie rufen zu Putins Sturz auf.

Ganz vorne mit dabei ist einer der bekanntesten Neonazis Deutschlands: Denis Nikitin – gebürtig Kapustin –, der als Kind aus Russland nach Deutschland zog und als Flüchtling in Köln gelebt hatte. Er gründete das «Freiwilligenkorps» und kämpfte zuletzt in der Ukraine – laut eigenen Behauptungen auf ukrainischer Seite, schreibt ZDF. In Deutschland wurde bereits vor Nikitin gewarnt. Sicherheitsbehörden vermuteten, dass Nikitins Aktivitäten möglicherweise von den russischen Behörden finanziert wurden.

Jetzt aber scheint Nikitins Korps ganz und gar nicht kremltreu zu sein: «Das Russische Freiwilligenkorps kam in die Region Brjansk, um unseren Landsleuten zu zeigen, dass es Hoffnung gibt und dass das freie russische Volk das Regime mit Waffen in der Hand bekämpfen kann.» Er und seine Leute «kämpfen nicht mit Zivilisten und töten keine Wehrlosen», sagt er.

In der Ukraine hält man Nikitin offenbar auch nicht für Putins «Komplizen»: «Das sind Menschen, die mit Waffen in der Hand gegen Putins Regime und seine Unterstützer kämpfen! Vielleicht beginnen die Russen aufzuwachen», sagte Andrii Jussow, Sprecher des Hauptnachrichtendienstes des ukrainischen Verteidigungsministeriums. (jwg/man)

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