Trotz der Sanktionen ist das Bankensystem in Russland noch nicht zusammengebrochen. Dabei waren die Erwartungen gross. «Nuklearoption» und «Finanzielle Atombombe» wurde der Ausschluss Russlands vom Swift-System genannt, nachdem Kreml-Chef Wladimir Putin (70) seine Armee in die Ukraine angreifen liess.
Kein Wunder: Das Kommunikationssystem Swift wickelt internationale Zahlungen unkompliziert ab. Durch den Ausschluss hätten die Russen von den meisten globalen Transaktionen über das Zahlungsverkehrssystem Swift abgeschnitten werden sein müssen. Damit hätte sich das Import-Export-Geschäft unheimlich verkompliziert, verbunden mit enormen Kosten für Russland.
Doch trotz Isolierung vom Swift-System ist der grosse Knall ausgeblieben. Der Rubel rollt – Sanktionen hin oder her. Laut Russland ist das Bruttoinlandsprodukt 2022 im Land nur um 2,7 Prozent geschrumpft, gemäss Internationale Währungsfonds (IWF) gibt es ein Minus von 3,5 Prozent. «Man hat gehofft, dass die Sanktionen stärker wirken würden», sagt Gerhard Mangott (56), Professor für internationale Beziehungen und Russland-Experte, zu Blick.
EU würde sich ins eigene Fleisch schneiden
Das Problem: Nicht alle russischen Banken sind vom internationalen Zahlungssystem ausgeschlossen. «Über die Gazprombank werden zum Beispiel Zahlungen für Gas abgewickelt», so Mangott weiter. Sie zu sanktionieren, würde auch für den Westen höhere Kosten bedeuten. «Die Gazprombank wurde deshalb nicht von Swift ausgeschlossen». Gerade die EU würde sich mit dem Swift-Ausschluss aller russischen Banken ins eigene Fleisch schneiden, solange Gas und Öl aus Russland bezogen wird.
Kurios: Gerade wegen der Sanktionen vergrössert sich der Wert des Rubels. Viele Unternehmen sind verpflichtet, ihre Devisen in Rubel zu tauschen, wodurch die Nachfrage und damit der Wert der russischen Währung steigt. Durch solche Schadensbegrenzungen wurde in Russland ein Ansturm auf die Banken verhindert und eine tiefe Wirtschaftskrise konnte (bisher) vermieden werden.
«Die Produktion muss staatlich finanziert werden»
Hinzukommt: Putin ist bereits seit Jahren vorbereitet. Der Kreml-Chef hatte schon bei der Annexion der Krim mit harten Sanktionen gerechnet. Das war 2014. «Russland hat vorausschauend Massnahmen getroffen, um sanktionsresilient zu werden», erklärt Mangott. Bereits damals begann man damit, die eigene Wirtschaft zu fördern und sich von der globalen Wirtschaft zu isolieren.
Auch die Rüstungsindustrie sei laut Mangott ein Wachstumsfaktor. Aber: «Die Produktion muss staatlich finanziert werden, das wiederum belastet das Budget.» Sicher ist, dass Russland alle Ressourcen in den Krieg steckt.
Europa ist noch immer zu abhängig von Öl und Gas
Die Wirtschaft mit fossilen Brennstoffen bleibt Russlands Ass im Ärmel – trotz Öl- und Gaspreisdeckel. Durch die Sanktionen darf Russland kein Öl mehr über den Seeweg transportieren. Mangott zu Blick: «Das trifft Russland hart. Putin muss Preisabschläge hinnehmen, die ihm weniger Gewinn einbringen.»
Doch ein Ziel verfehlen die Sanktionen ganz klar: «Russland wird den Krieg wegen der Sanktionen nicht beenden», stellt Mangott klar. «Denn für Russland sind die ökonomischen Verluste weniger wert als die geopolitischen Ziele, die man verfolgt.»
Dass Russland den Krieg beendet, muss aber nicht zwingend das Ziel der Sanktionen sein. «In der Öffentlichkeit wurde kaum diskutiert, welches Ziel die Sanktionen erfüllen sollen», bemängelt Stefanie Walter (45), Professorin für internationale Beziehungen an der Universität Zürich. Sanktionen können einen Staat auch für seine Taten bestrafen. «Dieser Effekt ist bereits spürbar, nur nicht in dem Ausmass wie erhofft», stellt Mangott fest. Und vor allem soll die Kriegsfähigkeit des Staats mittel- bis langfristig eingeschränkt werden.
Langfristige Wirkungen zeigen sich erst noch
«Es kann durchaus sein, dass die langfristige Wirkung der Sanktionen auf Russland negativer ist als die kurzfristige Wirkung.», erklärt Walter. Allerdings kann der Westen sich Sanktionen nicht ewig leisten, denn diese schaden beiden Parteien.
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«Je länger der Krieg dauert, desto höher werden auch die wirtschaftlichen und sozialen Kosten für den Westen», sagt Nicolas Hayoz (66), Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Osteuropa, zu Blick. Es kommt also darauf an, wer länger durchhält. «Putin glaubt, dass er geduldiger ist als der Westen», so Hayoz weiter.
Der Kreml-Chef hoffe darauf, dass die EU und die USA die Ukraine dazu drängen, den Krieg möglichst schnell zu beenden. Denn die Zeit spielt gegen Russland. Auch wenn die Sanktionen nicht den grossen Zusammenbruch bedeuten. Sie schaden dem Land. 2021 befand sich Russland noch im wirtschaftlichen Aufschwung. Diese Zeiten sind vorbei.