Es war einmal vor nicht all zu langer Zeit, da wollte niemand ein Nati-Trikot kaufen.
Die Detailhändler beklagten sich nach dem Lustlos-Auftritt von Xhaka und Co. gegen Italien über tiefe Verkaufszahlen. Die Migros schrieb die Nati vor dem Türkei-Spiel bereits ab, stichelte in der Figaro-Affäre: «Leider hatten wir es verpasst, blonde Perücken ins Fansortiment aufzunehmen – doch womöglich wären auch diese spätestens am kommenden Sonntagabend mit einem Aktionskleber versehen worden.»
Mittlerweile hat die Stimmung total gedreht! Nach dem Sensations-Sieg über Frankreich steht die Schweiz im EM-Viertelfinale. Jetzt will sich fast jeder Fussballfan ein rotweisses Trikot sichern. Eine Blick-Umfrage bei Detailhändlern zeigt: Die Nation ist im EM-Rausch.
Sommer-Trikot ist das Beliebteste
Beim Fussball Corner Oechslin in Zürich läuft die Druckermaschine zum Bedrucken der Spielernamen und Trikotnummern heiss, wie ein Augenschein vor Ort zeigt. «Für uns war die Nati-Sensation am Montagabend sehr wichtig», sagt Pascal Steiner, Marketing-Leiter vom Fussball Corner. «Seit Sommer den Penalty von Mbappe gehalten hat, ist bei uns die Hölle los. Wir haben am Tag nach dem Sieg mehr Nati-Shirts verkauft als je zuvor an dieser EM», erzählt Steiner.
Besonders beliebt: das Shirt von Penaltykiller Yann Sommer (32). «Die meisten Fans kaufen tatsächlich den Goalie-Dress. Einerseits gefällt ihnen wohl die spezielle Farbe, andererseits wollen sie alle ein Stück von unserem Nationalhelden», glaubt Steiner. Der Andrang hat den Fussball Corner auf dem falschen Fuss erwischt. «Einige Grössen sind uns ausgegangen. Aber pünktlich auf den Freitag wird alles wieder verfügbar sein», verspricht Steiner.
«Nati-Dress das perfekte Geschenk»
Gerry Guarnaccia (45) aus Zürich hatte noch Glück. Er sicherte sich ein Nati-Shirt für seinen Neffen, der am Freitag Geburtstag hat. «Er wird das Viertelfinalspiel gegen Spanien mit seinen Freunden schauen und seinen grossen Tag feiern», erzählt Guarnaccia. «Das Nati-Dress ist das perfekte Geschenk für ihn. Ich hoffe, dass er sich in zehn Jahren mit Freude daran zurückerinnern kann.»
Noch nie so viele Trikots an einem Tag verkauft
Auch bei Ochsner Sport, dem offiziellen Fanshop der Nati, geht seit dem Achtelfinal-Sieg die Post ab. «Die Verkäufe sind seit dem Viertelfinaleinzug auf Rekordwerten. Ochsner Sport hatte in der Vergangenheit – selbst an früheren Turnieren – noch nie so viele Trikotverkäufe an einzelnen Tagen», berichtet Marketing-Leiter Marco Greco.
Ausverkauft sei noch nichts. «Aber die Kunden müssen sich definitiv beeilen», so Greco. Interessant: Bei Ochsner Sport ist nicht der Dress von Yann Sommer, sondern das Shirt von Doppeltorschütze Haris Seferovic (29) besonders gefragt. «Sein Trikot ist bei uns der Kassenschlager», so Greco.
Migros lanciert Preiskampf mit 50 Prozent Rabatt
Selbst die Migros, die vor einer Woche noch gespottet hatte, steht wieder voll hinter der Schweizer Nationalmannschaft. «Auch wir sind noch immer am Jubeln über die tolle Leistung der Nati und freuen uns bereits auf das Spiel am Freitag», sagt Sprecher Marcel Schlatter. Die Nachfrage nach Trikots habe rasant zugenommen und kompensiere die anfängliche Zurückhaltung im Vergleich zu früheren Turnieren.
Die Migros mit Sport XX hat nach dem Achtelfinal-Sieg von Granit Xhaka (28) und Co. den Preiskampf lanciert. Seit Mittwoch gibt es die Nati-Shirts mit 50 Prozent Rabatt – so günstig wie nirgendwo sonst. «Preiserlasse während eines Turniers sind normal, so sind denn auch keine 10 Spiele mehr ausstehend», wiegelt Schlatter ab.
Zürich und Aargau im EM-Fieber, Bern zurückhaltend
Bei der Migros-Tochter Digitec Galaxus sind die Verkaufszahlen ebenfalls eindrücklich. Der grösste Onlineshop der Schweiz teilt auf Blick-Anfrage mit: «44 Prozent aller Schweizer Trikots, die wir in diesem Jahr verkauft haben, gingen am Dienstag und Mittwoch über den virtuellen Ladentisch.» Der Run auf die Nati-Shirts sei enorm – «es het solangs het», sagt Sprecher Stephan Kurmann.
Laut Digitec gehen die meisten rotweissen Trikots in die Kantone Zürich und Aargau. Der Kanton Waadt folgt auf dem dritten, Genf auf dem vierten und Luzern auf dem fünften Platz. Setzt man die Verkaufszahlen mit der Einwohnerzahl pro Kanton in Relation, sieht man: In Zürich und im Aargau ist die Bevölkerung im Fan-Rausch. In Bern hingegen gehts gemächlicher zu. Der Kanton landet bei Digitec nur auf Platz 12 – noch hinter dem Kanton Thurgau.