Vor einem Monat kam der Film «Air» in die Kinos. Darin wird gezeigt, wie Sportartikelhersteller Nike im Oktober 1984 einen Vertrag mit Basketballer Michael Jordan unterzeichnete, der die Marke zu einer Ikone machen sollte.
Doch 40 Jahre später sind in den Schaufenstern vieler Städte kaum noch Nike-Schuhe zu sehen: Die beliebten Sneakers sind bestenfalls noch bei Händlern wie Foot Locker erhältlich. Denn Nike hat beschlossen, alles auf den E-Commerce zu setzen. Konsumenten werden ermutigt, ihre Schuhe online zu bestellen.
Nike Stores sind selten geworden. Schweizweit gibt es sie nur noch in Genf, Basel, in Wallisellen ZH, Landquart GR, Mendrisio TI und Schönenwerd SO. Der Shop in Genf bietet eine kleine Fläche mit wenig Auswahl und nicht mal allen Schuhgrössen. Nike-Kaufhäuser findet man nur noch in Metropolen wie Paris oder London.
Auch Schweizer Einzelhändler bleiben nicht verschont
In der Schweiz sind diverse Einzelhändler unter dem Druck des E-Commerce verschwunden. Vögele Shoes stellte Ende 2022, 100 Jahre nach der Gründung, den Betrieb ein. Die Marke wird online kein zweites Leben haben. Guillaume Morand, Besitzer der Schweizer Schuhladenkette Pomp It Up und Pompes Funèbres, spricht von einer «stillen Revolution des Schweizer Einzelhandelsmarktes, der Jahr für Jahr das Verschwinden renommierter helvetischer Marken miterlebt».
Er erinnert sich, dass Vögele Shoes zur Blütezeit über 350 Geschäfte in der Schweiz hatte. «Vögele stand in direktem Wettbewerb mit der Ochsner-Gruppe, die der deutschen Deichmann mit den Marken Ochsner, Ochsner Sports, Dosenbach und Snipes gehört» erinnert sich Morand. Die Konkurrenten kauften während der 2000er Jahre alle Schuhfabrikanten auf, die Probleme hatten. Mit dem Aufkommen des Internetvertriebs waren dann zwei Akteure dieser Grösse zu viel für den kleinen Schweizer Markt. «Und Deichmann hat den Kampf gewonnen», so Morand.
Zalando als grosser Gewinner
Besonders während der Corona-Pandemie veränderten sich die Einkaufsgewohnheiten. Die Einzelhändler setzen deshalb verstärkt auf Online-Angebote. Doch profitiert haben vor allem die Grossen. «Die reinen E-Commerce-Player haben abgeräumt, insbesondere Zalando», beobachtet Morand.
Mit 1,7 Milliarden Franken Umsatz, die Zalando 2022 in der Schweiz erzielte, kommt man auf durchschnittliche Pro-Kopf-Ausgaben von 200 Franken für die Schweizerinnen und Schweizer allein bei diesem Händler. Dieser enorme Erfolg erkläre das Verschwinden zahlreicher Einzelhändler in der Schweiz, so Morand. «Und manche Zalando-Kunden beschweren sich dann über die mangelnde Auswahl an Einkaufsläden in Schweizer Städten!»
Firmen müssen Strategien ändern
Auch die grossen Einkaufshäuser stehen deshalb vor Veränderungen. Etwa der Zürcher Konzern Jelmoli, der bis 2024 alle seine Geschäfte auf Beschluss seines Eigentümers, des Entwicklers Swiss Prime Site, schliessen wird. 110 Jahre nach seiner Gründung wird der Vorreiter des Versandhandels von den modernen Vertretern des Online-Verkaufs wie Zalando oder Amazon besiegt sein.
Bei Manor stehen auch Neuerungen an. Der Basler Konzern will den Multichannel-Vertrieb beschleunigen – also vor allem den Onlinehandel. Dazu Morand: «Vom Schweizer Einzelhändler ist Manor zu einem Global Player geworden, der grosse internationale Marken besitzt und vertreibt.» In der Tat hat der Eigentümer, die Firma Maus Frères, innert zehn Jahren die Marken Lacoste, Gant, Aigle und Kooples erworben. «Parallel dazu hat Maus Frères Flächen an andere Lieferanten oder Einzelhändler wie Sephora, Fnac, Decathlon und Aeschbach vermietet, um das Risiko und die finanziellen Verluste so gering wie möglich zu halten, und ist eher zu einem Immobilienakteur geworden.»
Auch die Möbelbranche befindet sich im Umbruch. Pfister Möbel und Interio wurden 2019 von einem österreichischen Konzern übernommen, der die Marke Pfister beibehält, aber den Anteil des Online-Möbelverkaufs deutlich erhöhen will.
Zu viel Konzentration?
Ganz klar: Der Einzelhandelsmarkt ist nicht mehr national, sondern globalisiert, und wird von Internetgiganten und multinationalen Einzelhändlern beherrscht. H&M, Zara, Guess und weitere sind weltweit in allen Städten zu finden. Aber auch sie wollen mehr online verkaufen. Seit 2020 haben Zara, H&M und Uniqlo beschlossen, ihren weltweiten Filialbestand zu reduzieren. Zara schliesst weltweit 1200 Geschäfte, um in den Online-Verkauf zu investieren, während H&M 250 Geschäfte schliesst.
Guillaume Morand bedauert diese Entwicklung: «Die Schliessung zehntausender unabhängiger Geschäfte auf der ganzen Welt führt dazu, dass man alles in einem kleinen Dutzend Online-Megaplattformen kaufen kann. Werden die Verbraucher jemals aufwachen?»