Ihr Baby brabbelt in der kleinen Drei-Zimmer-Wohnung im Kanton Aargau fröhlich vor sich hin. Samira K.* (34) hält ihren Sohn auf den Armen und streicht ihm sanft über den Kopf. «Sechs Monate alt ist er. Er ist zu früh zur Welt gekommen», sagt die Mutter beim Empfang von Blick. Der Kleine habe einen Herzfehler. Was das Leben von Samira K.* zusätzlich belastet.
Die Aargauerin ist eine der 131 Verkäuferinnen von Vögele Shoes, die Anfang Dezember kalt abserviert wurden. Ihre Kündigung: ein Standardbrief ohne jeglichen Dank für ihre langjährige Arbeit bei der Schuhkette, die derzeit Filiale um Filiale schliesst, weil sie pleite ist. K. möchte anonym bleiben, weil sie Angst hat, sonst keinen Job mehr zu finden.
Vor einem Jahr traf Verkäuferin K. fast der Schlag, als ihr damaliger Chef sie darüber informierte, dass die Vögele-Filiale in Aarau geschlossen wird. Seither arbeitete sie immer wieder in anderen Filialen. Stossend: Vögele Shoes kündigte ihr schon einmal, zog die Kündigung aber zurück, weil K. schwanger war.
Im Juli spitzte sich die Lage zu. Ihr Sohn Elias kam zur Welt. Gleichzeitig schlitterte die Traditionskette Vögele Shoes in den Konkurs.
Samira K. mit Schicksal alleingelassen
Für die junge Mutter begann eine Odyssee. Da ihr Sohn zwei Monate zu früh auf die Welt kam, beantragte sie eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs. Vögele informierte sie nicht über die bevorstehenden Kündigungen. «Ich weiss nicht, was mit mir geschieht», beschreibt K. ihre Situation.
Immer wieder rief Samira K.* die Personalabteilung der Schuhkette Vögele an. Ohne Erfolg. «Am Tag, an dem ich wieder arbeiten sollte, wurde mir dann telefonisch mitgeteilt, dass der Mutterschaftsurlaub verlängert wird», sagt K. Bis dahin habe sie den Lohn immer erhalten. Ab November gab es nichts mehr. Jetzt geht ihr das Geld aus, weil sie auch für Dezember und Januar keinen Lohn, kein Betreuungs- und Kindergeld bekomme, wie die Personalabteilung ihr am Telefon mitteilte. Am 30. Januar 2023 endet ihr Arbeitsverhältnis.
Die deutschen Vögele-Chefs machen keine halben Sachen: Nur wenige Tage nachdem sie den 131 Angestellten die Kündigung per Einschreiben ins Haus geschickt haben, geben sie den Schliessungsplan für die letzten 27 Filialen bekannt. Laut dem internen Memo, das Blick vorliegt, schliessen Anfang Dezember 17 Filialen. Am 17. Dezember gehen die Läden von sieben weiteren Filialen zu. Alles muss raus. Per sofort beginnt der Liquidationsverkauf, «die Rabatte werden gemäss dem verfügbaren Angebot angepasst», heisst es auf Anfrage. Die Filialen in Uznach SG, Wil SG und Emmen LU verkaufen noch bis ins neue Jahr. Sie empfangen die Kundschaft zum letzten Mal am 7. Januar. Dann ist Schluss. Die Marke Vögele verschwindet endgültig aus den Einkaufsstrassen.
Die deutschen Vögele-Chefs machen keine halben Sachen: Nur wenige Tage nachdem sie den 131 Angestellten die Kündigung per Einschreiben ins Haus geschickt haben, geben sie den Schliessungsplan für die letzten 27 Filialen bekannt. Laut dem internen Memo, das Blick vorliegt, schliessen Anfang Dezember 17 Filialen. Am 17. Dezember gehen die Läden von sieben weiteren Filialen zu. Alles muss raus. Per sofort beginnt der Liquidationsverkauf, «die Rabatte werden gemäss dem verfügbaren Angebot angepasst», heisst es auf Anfrage. Die Filialen in Uznach SG, Wil SG und Emmen LU verkaufen noch bis ins neue Jahr. Sie empfangen die Kundschaft zum letzten Mal am 7. Januar. Dann ist Schluss. Die Marke Vögele verschwindet endgültig aus den Einkaufsstrassen.
K. sucht Hilfe – ohne Erfolg
Das Ausbleiben des Lohnes wollte K. nicht hinnehmen und wandte sich an Blick. «Ich sitze mit einem kranken Kind zu Hause, und nun fehlt mir auch noch das Geld», klagt K. Wie es weitergeht, ist für sie unklar. Sie zog einen Rechtsberater bei, doch auch er konnte ihr nicht helfen: Da Vögele Shoes Insolvenz angemeldet hat, könne die Firma weder eine Entschädigung noch Betreuungsgelder auszahlen, bekommt sie zu hören.
Vögele entschuldigt sich
Blick konfrontierte Vögele Shoes mit dem Fall K. Die Firma nimmt wie folgt Stellung: «Falls ein Fehler unsererseits vorliegt, wird die betroffene Person umgehend entschädigt. Grundsätzlich werden die Löhne von der Karl Vögele AG bis zum letzten Arbeitstag gemäss Freistellung bezahlt.» Dies sei gesetzlich während der Nachlassstundung so geregelt, und daran halte sich Vögele.
Zudem wolle sich Vögele bei Samira K. offiziell entschuldigen. «Alle Mitarbeiter liegen uns sehr am Herzen, und darum möchten wir, falls ein Fehler vorliegt, diesen beheben.» Nun wartet K. gespannt, ob Vögele tatsächlich noch Wort hält. Daran glauben tut sie allerdings nicht mehr.
* Name der Redaktion bekannt