Pierin Vincenz (65) war längst nicht nur der hemdsärmlige Top-Banker. Er haute auch oft und gerne über die Stränge. In Stripclubs war die ehemalige Nummer eins der Raiffeisen Dauergast. Das zeigt die Anklageschrift gegen Vincenz. Bei 102 Besuchen in 18 verschiedenen Stripclubs verscherbelte der Bündner fast 200'000 Franken – auf Kosten der Spesenkasse von Raiffeisen.
Vincenz' Lieblingslokal war der King's Club in der alten Börse in Zürich. Top-Banker vom Paradeplatz gingen im Edel-Cabaret offenbar ein und aus. Und auch der Raiffeisen-Mann war Stammgast: Insgesamt 91'000 Franken gab Vincenz für Flûtes und Füdli aus. Ganze 50 Abrechnungen vom King's Club hat Vincenz bei seinem Arbeitgeber als Spesen abgebucht.
Naive Spesenkontrolle?
Man fragt sich, wie die Kontrollstelle dies übersehen konnte. Vincenz' Spesenabrechnung wurde seinerzeit von Verwaltungsratspräsident Johannes Rüegg-Stürm (60) höchstpersönlich kontrolliert – und genehmigt!
Laut Anklageschrift ging Vincenz' Vorgesetzter davon aus, dass es sich um Kosten für Nachtessen «in einem Restaurant in der alten Börse» handelte. Dass sein CEO auf Spesenrechnung in Cabarets feierte, habe er nicht gewusst.
Spesenvermerk «Uebernachtung»
Vincenz machte auf seiner «Tour de Strip» in eleganteren, aber auch in eher lumpigen Lokalen mehrerer Städte halt. Ihre klingenden Namen: Crazy Paradise, Egoist, Cecildance, Pussy Cat. Überall verlochte Vincenz pro Besuch zwischen 200 und 6000 Franken. Bezahlt hat er mit der Firmenkarte.
Laut Anklageschrift fehlt bei den meisten Spesenbelastungen die Erklärungsnotiz. Ein paarmal gab Vincenz «Nachtessen» an. Zu den Auslagen im Crazy Paradise in Genf oder im Luzerner Stripschuppen Du Pont vermerkte Vincenz den Grund «Uebernachtung».
Tinder-Date auf Spesenrechnung
Mindestens 15-mal soll der Ex-Chef in den St. Galler Striplokalen Tiffany und Golden Club mit dem Spesenkonto bezahlt haben. Beide Cabarets liegen nur elf Gehminuten vom Hauptsitz der Raiffeisen entfernt. Mit der Limousine wäre Vincenz in nur fünf Minuten vom Bürostuhl aufs Polstersofa gelangt.
All die Tausende Franken, so die Anklage, seien «nicht geschäftsmässig begründet» gewesen. Das kümmerte Vincenz offenbar wenig. Er sei eben Tag und Nacht für Raiffeisen unterwegs gewesen, hat der angeklagte Raiffeisen-Chef bei den Befragungen der Staatsanwaltschaft gesagt. Das schreibt die «NZZ am Sonntag». Eine strikte Trennung zwischen privat und geschäftlich falle da schwer. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Wurden für ihn so auch Date Nights zu Raiffeisen-Angelegenheiten? Offenbar lud er 2015 ein Tinder-Date ins noble Zürcher Restaurant Storchen ein. Die 700-Franken-Rechnung bezahlte er mit der Firmenkreditkarte.