Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, spezialisiert auf Wirtschaftskriminalität, hat rund drei Jahre lang untersucht, befragt und ermittelt. Sie wirft den Angeklagten Pierin Vincenz (65) und Beat Stocker (61) in vielen Punkten strafrechtlich relevantes Fehlverhalten – in erster Linie Betrug – vor. Blick zeigt auf, um welche Fälle es im Wirtschaftskrimi geht, der ab nächster Woche vor dem Bezirksgericht Zürich verhandelt wird.
Der Fall Commtrain
Alles beginnt mit dem Kauf der Firma Commtrain Card Solutions (CCS) durch Aduno im Jahr 2007. Was ausser Vincenz und Stocker bei der Kreditkartenfirma niemand weiss: Die beiden sind über die Firma iFM an Commtrain beteiligt, profitieren also vom Kauf bzw. Verkauf der Firma, den sie selber eingefädelt haben. Die Anklage spricht von einer sogenannten «Schattenbeteiligung». In den entscheidenden Verwaltungsratssitzungen hätten Präsident Vincenz und Aduno-CEO Stocker den möglichen Interessenkonflikt offenlegen müssen. Mit dem Geschäft erzielten die beiden einen Gewinn von 1,3 Millionen Franken.
Der Fall Genève Credit & Leasing
Das Muster der «Schattenbeteiligung» sollte sich noch mehrere Male wiederholen. Zunächst beim Kauf der Genève Credit & Leasing (GCL) durch die Aduno. GCL war im Geschäft mit Konsumkrediten tätig – und das mässig erfolgreich. Bei einer ersten Prüfung fiel das Geschäft bei Aduno durch. Doch Stocker und Vincenz schafften es, den Kauf wieder auf die Traktandenliste zu setzen – auch dank einer vorübergehenden Finanzierung durch die Raiffeisen, die Vincenz eingefädelt haben soll. Unter anderem am Rande eines Prince-Konzerts im Jahr 2011 wurden Einzelheiten besprochen. Insgesamt verdienten Vincenz und Stocker bei diesem Geschäft je 3,4 Millionen Franken – ohne Wissen der Aduno.
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Der Fall Eurokaution
Nicht ganz so erfolgreich war das Duo im Fall Eurokaution, vor allem weil der ehemalige Besitzer bis zur Verhaftung im Februar 2018 den Gewinn von je einer halben Million Franken nicht bezahlt hatte. Aber obwohl Stocker die Firma als «ein Stück Scheisse» bezeichnet hatte, gelang es ihm und Vincenz, den Verwaltungsrat von Aduno zu überzeugen, die Firma zu kaufen. Auch mit der flapsigen Bemerkung, die Aduno solle «nun einfach mal etwas unternehmerisch wagen». Auch hier lief alles verdeckt, kein Wort über die Beteiligung an der Firma an die Kollegen im Verwaltungsrat.
Der Fall Investnet
Die Idee klingt bestechend: Die Firma Investnet sucht nach Nachfolgelösungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), kauft sich in die Firmen ein und verkauft diese später mit Gewinn an Investoren. Nur: Dazu braucht es viel Geld. Hier kommt ab 2011 Raiffeisen ins Spiel, denn der Markt für Nachfolgelösungen ist gerade auch für die Genossenschaftsbank interessant. Per «Handschlag» erhält Stocker, der für Raiffeisen eine Weile die Verkaufsverhandlungen führt, privat eine Beteiligung von 25 Prozent an Investnet. Schliesslich kommt es zur Fusion einer Raiffeisen-Tochter mit Investnet. An dieser Firma hält Raiffeisen 60 Prozent und bezahlt dafür an die beiden Firmengründer je 20 Millionen Franken. 5,8 Millionen Franken fliessen von den Gründern in die Taschen von Stocker. Dieser zahlt an Vincenz 2,9 Millionen Franken, angeblich als Darlehen für den Kauf eines Hauses im Tessin. Die Zahlung späterer Tranchen verweigert Käuferin Raiffeisen mit dem Hinweis auf Ungereimtheiten.
Die fetten Spesen
Vincenz sei ein begnadeter Spesenritter gewesen. Als Spesen abgerechnet wurden selbst Besuche in Striplokalen oder Ferienreisen mit Freunden oder Familienmitgliedern. Kann Vincenz nachgewiesen werden, dass gewisse Spesen und Bezüge seinen persönlichen Bedürfnissen und nicht einem Geschäftszweck dienten, dann hat der Ex-Raiffeisen-Boss ein weiteres strafrechtlich relevantes Problem. Bei Vincenz geht es gemäss Anklage um Spesen von über 560'000 Franken, bei Stocker um fast 100'000 Franken.