Nach 30 Jahren Arbeit als Banker bei einem Finanzinstitut hängte Guy Maradan (60) seinen Job an den Nagel. Und tut nun etwas, von dem ihm wohl jede Bank abraten würde: Er ist jetzt Dorfladenbetreiber.
Maradan ist in Cerniat im Kanton Freiburg aufgewachsen, einem 400-Seelendorf im Greyerzerland, 927 Meter über Meer. Die Post und die Bank, sogar die Schule haben das Dorf bereits verlassen. Als auch noch die Betreiberin des Dorfladens aufgeben wollte, weil die langen Präsenzzeiten nicht mehr kostendeckend waren, gründete Maradan 2018 eine Genossenschaft für den Erhalt des Geschäfts. «Ich bin in Cerniat geboren», sagt Maradan. «Ich möchte der Gemeinde etwas zurückgeben.»
Dorfläden sind in Bergdörfern wichtige, gar überlebenswichtige Betriebe. Sie versorgen nicht nur die Bergler und die Touristinnen aus dem Unterland mit den nötigsten Lebensmitteln, sondern sind in weitläufigen Siedlungen oft auch der einzige Treffpunkt für einen Schwatz unter den Einheimischen.
Doch die Läden haben es schwer: Die Kundschaft ist überschaubar, ebenso das Angebot. Und wenn es zwei Dörfer weiter einen Grossverteiler gibt, nehmen die Kunden mit der Aussicht auf tiefere Preise und grössere Auswahl regelmässig den weiteren Weg in Kauf.
Gute Ideen sind gefragt
«Immer wieder müssen Dorfläden in den Berggebieten aus betriebswirtschaftlichen Gründen schliessen», sagt Thomas Egger (55), Präsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete SAB, am Donnerstag an einer Fachtagung in Bern, zu der die SAB gemeinsam mit der Schweizer Berghilfe geladen hat.
Es ist ein Teufelskreis: Schliesst ein Dorfladen, verliert die betroffene Ortschaft an Attraktivität. Einheimische ziehen weg, Touristen bleiben fern. Für Egger liegt der Schlüssel für den Erhalt von Bergläden in der regionalen Koordination, der Multifunktionalität – etwa die Integration von Poststellen in Läden – und der Digitalisierung.
Voll auf Letztere setzt Maradan. Acht Kilometer entfernt von Bulle, dem nächsten Zentrum, leistet er Pionierarbeit. In seinem Laden können die Kundinnen und Kunden 365 Tage im Jahr rund um die Uhr einkaufen, wie ein Augenschein von Blick zeigt.
Für die finanzielle Unterstützung von Dorfladenprojekten durch die Berghilfe braucht es auch die Hilfe der lokalen Bevölkerung, sagt Beatrice Zanella (53), Geschäftsleitungsmitglied der Berghilfe, zu Blick. Zudem müssen die Läden in der Bergzone liegen, das Geld muss in Investitionen fliessen. Typisch sind Digitalisierungsprojekte und andere Modernisierungsmassnahmen. Laufende Kosten werden nicht finanziert. Die Beiträge sind A-fonds-perdu. Die Berghilfe sammelt jährlich rund 30 Millionen Franken Spendengelder. Zirka 300'000 Franken wurden in den vergangenen Jahren für Dorfläden-Projekte verwendet.
Für die finanzielle Unterstützung von Dorfladenprojekten durch die Berghilfe braucht es auch die Hilfe der lokalen Bevölkerung, sagt Beatrice Zanella (53), Geschäftsleitungsmitglied der Berghilfe, zu Blick. Zudem müssen die Läden in der Bergzone liegen, das Geld muss in Investitionen fliessen. Typisch sind Digitalisierungsprojekte und andere Modernisierungsmassnahmen. Laufende Kosten werden nicht finanziert. Die Beiträge sind A-fonds-perdu. Die Berghilfe sammelt jährlich rund 30 Millionen Franken Spendengelder. Zirka 300'000 Franken wurden in den vergangenen Jahren für Dorfläden-Projekte verwendet.
Technik macht es möglich
Der Laden funktioniert komplett digital: Wollen die Kunden den Laden betreten, müssen sie in eine Kamera schauen. Die Gesichtserkennung öffnet ihnen die Ladentüre, sofern sie Mitglied bei der Laden-Genossenschaft sind. Touristen kann Maradan die Türe von überall auf der Welt via Handy öffnen. Auch das Bezahlen funktioniert ganz ohne Personal: Die Kunden scannen die Ware ein und bezahlen entweder direkt im Laden oder per Monatsrechnung. Letztere ist beliebt, weil Maradan dort einen Rabatt von 1,5 Prozent auf den Umsatz gewährt.
Eine grosse Arbeitserleichterung liegt für den Ladenbetreiber in der Lagerbewirtschaftung. Kauft der Kunde 300 Gramm Greyerzer-Käse, löst das System ohne Zutun vom Ladenbetreiber eine Nachbestellung des Käses aus. Gemäss Maradan wurde noch nie etwas gestohlen. Vielleicht liegt es an den diversen Kameras, die alles aufzeichnen, was im Laden passiert.
Wichtig für das Dorfleben
Besonders stolz ist Maradan auf die Qualität der Warenscanner. Es sind die gleichen, wie sie die Migros und der Coop verwenden. Er sagt: «Ohne die A-fonds-perdu-Zahlung von 56'000 Franken der Berghilfe wäre das Digitialisierungsprojekt nicht möglich gewesen.» Trotz automatisierter Kasse und Nachbestellung: Vormittags ist trotzdem jemand im Laden. «Für ältere Leute ist das wichtig. Sie möchten mit jemandem schwatzen können», weiss Maradan.
Der Ex-Banker denkt nun darüber nach, als Geschäftsführer und Genossenschaftspräsident zurückzutreten. «Meine Arbeit ist gemacht», erklärt er. «Dank der Genossenschaft ist eine Geschäftsübergabe zudem viel einfacher, als wenn ich ein Einzelunternehmer wäre.» Für die Technik will Maraden dem Dorfladen trotzdem erhalten bleiben.