Auf einen Blick
Eigentlich hätten die ungebetenen Werbeanrufe von Krankenkassen diesen Herbst ausbleiben sollen. Denn seit September verbietet die neue Branchenvereinbarung über Versicherungsvermittlung, dass Krankenkassen unvermittelt Personen anrufen, zu denen seit mehr als drei Jahren kein Kundenkontakt besteht.
Doch Ruedi Zweig, der seinen richtigen Namen nicht in den Medien lesen will, erhält Mitte September wieder einen solchen Anruf. Am anderen Ende ist die Visana – bei der Zweig noch nie Kunde war. «Auf meine Nachfrage, ob diese Art von Anruf nicht verboten sei, sagte die Dame, es handle sich um eine Empfehlung», erzählt Zweig. Sprich: Jemand hat Zweigs Kontaktdaten der Visana gegeben, damit diese ihn kontaktieren kann.
Werbeanruf der Krankenkasse angekündigt
Bei diesen Empfehlungen gilt das Anrufverbot nicht. Zweigs Daten habe die Visana vom Verband Swiss Badminton erhalten, den sie sponsert, sagte die Visana-Mitarbeiterin. Tatsächlich spielt der 63-Jährige in einem lokalen Verein Badminton, der die Angaben an den Dachverband übermittelte.
Was Zweig bis zu den Recherchen des Beobachters nicht bemerkt hat: Der Telefonanruf wurde ihm im August angekündigt. Allerdings war die Botschaft gut versteckt, in einer Werbe-E-Mail. Zweig wurden Vergünstigungen auf Zusatzversicherungen und Rabatte bei der Visana angeboten.
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Zweig interessierte das nicht. Er las die ersten paar Sätze – und archivierte die Nachricht. Und übersah so, was nach den «sportlichen Grüssen» von Robbert de Kock, Präsident Swiss Badminton, Simone Ramsauer, Geschäftsführerin Swiss Badminton, und Roland Lüthi, Leiter Vertrieb und Marketing Privatkunden, steht: dass alle Mailempfänger demnächst angerufen werden. «Solltest du keinen Kontakt wünschen, kannst du uns dies bis Ende August per E-Mail an info@swiss-badminton.ch mitteilen.»
Krankenkasse fördert Sport und Gesundheit
Ruedi Zweig hat – wie vermutlich viele andere Badmintonspielerinnen und -spieler – nicht explizit zugestimmt, dass der Sportverband seine Daten weitergeben darf. In den Datenschutzbestimmungen weist Swiss Badminton zwar darauf hin, dass der Verband und seine Sponsoren Mitteilungen zu Marketingzwecken an die registrierten Nutzer schicken dürfen. Doch Zweig wusste bis zum Visana-Anruf nicht mal, dass seine Daten bei Swiss Badminton sind. Sein lokaler Verein hat die Daten ohne sein Wissen übermittelt, für den Fall, dass er mal an einem Turnier teilnimmt.
Die Prämien der Krankenkassen steigen und steigen. Viele machen sich Sorgen und fragen sich: Kann ich meine Kosten senken? Am Dienstag, 12. November, kannst du dich kostenlos zum Thema Krankenkassenkosten von den Beobachter-Expertinnen und -Experten beraten lassen. Mehr erfahren.
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Ganz neu sind solche Sponsoringverträge nicht, möglicherweise haben auch andere Krankenkassen ähnliche Partnerschaften. Die Visana schreibt auf Anfrage des Beobachters, sie unterstütze diverse Vereine und ihre Engagements – «insbesondere in den Bereichen Sport und Gesundheitsförderung». In der Regel erhielten sie aber keine Kontaktinformationen. «Wir erhalten Adressen ausschliesslich von Pro Velo und Swiss Badminton, es handelt sich um wenige Tausend Adressen.»
Werbe-E-Mail wurde von der Visana verschickt
Swiss-Badminton-Geschäftsführerin Simone Ramsauer schreibt dem Beobachter, der Verband informiere an der Delegiertenversammlung über die Partnerschaft. In den Datenschutzbestimmungen weise man zudem darauf hin, dass Swiss Badminton die Kontaktdaten zu Marketingzwecken an Sponsoren weitergeben könne. «Die Mitglieder informieren wir ausserdem jährlich mit einem Mailing über das Widerspruchsrecht von 14 Tagen vor der Kontaktaufnahme durch Visana», so Ramsauer.
Nur: Wer gut hinschaut, bemerkt, dass die Werbe-E-Mail von der Visana verschickt wurde, die Daten waren zu diesem Zeitpunkt also bereits bei der Krankenkasse. Die Visana schreibt, wer daraufhin einer telefonischen Kontaktaufnahme widerspreche, werde intern auf die Werbesperre-Liste gesetzt und nicht mehr kontaktiert. Punkto Datenschutz verlässt sich die Visana darauf, dass die Sportlerinnen und Sportler bei der Registrierung aufmerksam sind, dort würden sie über die Verwendung ihrer Daten aufgeklärt.
Den Zürcher Datenschutz-Anwalt Martin Steiger überzeugt diese Argumentation nicht. Die Werbemail und die anschliessende Telefonakquise der Visana seien fragwürdig. «Für E-Mail-Massenwerbung ist eine Einwilligung der Empfänger erforderlich.» Visana und Swiss Badminton müssten nachweisen, dass sie diese rechtsgültig eingeholt haben. Bei einer Widerhandlung gegen das neue Datenschutzgesetz droht den Verantwortlichen eine persönliche Busse von bis zu 250’000 Franken.
Für die Übermittlung der Kontaktadressen sei der Verband Swiss Badminton wegen seiner Datenschutzbestimmung wohl aus dem Schneider. Eine vorgängige Information und die Widerspruchslösung seien wohl zulässig. «Datenschutz- und mitgliederfreundlich wirkt die Übermittlung aber nicht», findet Steiger.
Empfehlung bei Krankenkasse ist fragwürdig
Und er weist noch auf einen weiteren heiklen Punkt hin: «Für die Kaltakquise braucht es die Einwilligung der Angerufenen.» Wer im Telefonbuch mit Stern markiert oder gar nicht eingetragen ist, darf nicht «kalt» angerufen werden. Daran könne auch die gemäss Branchenvereinbarung zulässige «Empfehlung» durch Dritte nichts ändern. «Dieses Schlupfloch halte ich für fragwürdig. Wenn jemand einer Versicherung empfiehlt, mich anzurufen, dann habe ich selbst offensichtlich keine Einwilligung erteilt», so Steiger.
Bei der Visana heisst es, man habe mit Swiss Badminton einen Rahmenvertrag mit Sonderkonditionen für die Mitglieder abgeschlossen. «Eine telefonische Kontaktaufnahme erfolgt nur bei ausdrücklicher Einwilligung und wenn Mitglieder über ermässigte Versicherungsprodukte informiert werden möchten.»
Ruedi Zweig wollte das Telefongespräch nicht und beendete den Anruf nach kurzer Zeit. Er folgte der Empfehlung der Finanzmarktaufsicht (Finma), die für die Regulation der Zusatzversicherungen zuständig ist: Er reichte eine Beschwerde ein. «Ich bin gespannt, wie die Finma das Vorgehen der Visana beurteilt.»