Im letzten Sommer wurde Urs Schaeppi (61) noch zum Rücktritt aufgefordert. Seither war es ruhig um den Swisscom-CEO – bis zu seiner überraschenden Rücktrittsankündigung am Donnerstag. Er räumt seinen Chefsessel per 1. Juni. Der Zeitpunkt für einen Wechsel sei gekommen, sagte Schaeppi an der Bilanzmedienkonferenz: «Ich hatte bei der Swisscom eine unglaublich tolle Zeit, doch jetzt ist es an der Zeit für einen neuen unternehmerischen Abschnitt.»
Der Berner hatte im Jahr 2013 nach dem Tod von Carsten Schloter die Führung des grössten Schweizer Telekomkonzerns übernommen. Die Rücktrittsforderungen gegen Schaeppi wurden laut, als es bei der Swisscom 2020 und 2021 zu einer regelrechten Pannenserie gekommen war. Zuletzt fielen am 8. Juli 2021 in einer Unwetternacht in weiten Teilen der Schweiz die Notfallnummern aus.
IT-Experte übernimmt
Mit Christoph Aeschlimann (45) sitzt ab Frühsommer ausgerechnet der während der Pannenserie verantwortliche Technikchef der Swisscom auf dem CEO-Sessel. Der Informatik-Ingenieur leitet aktuell den Bereich Infrastruktur, Netz und IT und ist Mitglied der Konzernleitung.
Swisscom ist mittlerweile eines der grössten IT-Unternehmen der Schweiz. Und genau hier liegen Aeschlimanns Stärken. Vor seinen drei Jahren bei der Swisscom war er sechs Jahre beim Softwareentwickler Erni Group – zuletzt als CEO.
Aeschlimann übernimmt von Schaeppi einen gut aufgestellten Konzern. Die Swisscom steigerte den Umsatz im letzten Jahr um 0,7 Prozent auf 11,18 Milliarden Franken. Unter dem Strich steht ein Gewinn von 1,83 Milliarden Franken in den Büchern – ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die grössten Baustellen
Der neue CEO wird sich künftig um die Baustellen der Swisscom kümmern müssen – und davon gibt es einige. Die Schweizer Bevölkerung hat einen enormen Datenhunger. Um den zu stillen, muss Swisscom das Netz aus 5G-Antennen massiv ausbauen. Doch die Antennen werden vielerorts mit Einsprachen bekämpft. «Finden wir hier keine Lösungen, wird es über kurz oder lang zu Qualitätsproblemen kommen», sagt der scheidende Chef Schaeppi.
Auch beim Glasfaserausbau ist die Swisscom derzeit blockiert. Heute haben 30 Prozent der Haushalte und Geschäfte einen Glasfaseranschluss. Bis 2025 sollen es 60 Prozent sein – das entspricht 1,5 Millionen zusätzlichen Anschlüssen. Gegen das Glasfaserprojekt wurde jedoch vor der Eidgenössischen Wettbewerbskommission geklagt. Der Vorwurf: Die Swisscom würde ihre Marktmacht missbrauchen und den Wettbewerb verunmöglichen. Schaeppi kontert: «Alle Anbieter können unsere Netze nutzen.»
Monatlich 4,6 Millionen Cyber-Angriffe
Während Schaeppis 23 Jahren bei der Swisscom hat sich der Konzern fundamental verändert. In seinen Anfängen scheffelte der blaue Riese mit der Festnetztelefonie das meiste Geld. Heute sind TV-Angebot und Cloud-Lösungen für Firmenkunden als wichtige Geschäftsfelder hinzugekommen.
Die Corona-Pandemie hat weitere Wachstumsfelder eröffnet. «Der Bedarf nach Videotelefonie und Kollaborationslösungen, aber auch nach Cybersecurity ist massiv gestiegen», sagt der designierte CEO Aeschlimann. Aktuell müsse die Swisscom 4,6 Millionen Cyberangriffe pro Monat abwehren, die Zahl der Angriffe steige monatlich an.