1750 Stunden: So viel Zeit habe er bislang für die Verteidigung seines prominenten Mandanten Pierin Vincenz (65) aufgewendet, sagt Lorenz Erni (71) vor Gericht. Dieser riesige Aufwand muss sich lohnen, deshalb zieht der Starverteidiger alle Register, um sein Ziel zu erreichen. Erni: «Alle Vorwürfe gegen Pierin Vincenz sind unberechtigt. Wir werden Ihnen im Einzelnen aufzeigen, warum mein Mandant in allen Punkten freizusprechen ist.»
Dabei geht es nicht immer um die Sache, sondern auch um das, was Vincenz in seiner langen Karriere auf dem Finanzplatz erreicht hat. «Erfolg schafft Neider», so Erni. «Neid war auch die Triebfeder für denjenigen, der mit der Bankgeheimnisverletzung das Verfahren ausgelöst hat.»
Erni spielt dabei auf Bewegungen auf einem Vincenz-Konto bei der Bank Julius Bär an, die «Inside Paradeplatz» 2016 publik gemacht hatte.
Etwas verkürzt will der Verteidiger damit offenbar ausdrücken, dass es Vincenz' Erfolg war – und nicht seine mutmasslichen Vergehen –, der ihn vor die Schranken des Gerichts gebracht hat.
Überforderte Staatsanwaltschaft
Und natürlich eine übereifrige Staatsanwaltschaft, die die Untersuchung «mit selten gesehenem Verfolgungseifer» geführt habe. Deshalb setzt Erni alles daran, die Anklage immer wieder zu diskreditieren. Eine Anklage, die ganz offenbar mit dem Sachverhalt überfordert war. «Ich habe gewisse Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft bis heute nicht verstanden», attackiert Erni seine Gegner.
Der Vincenz-Prozess
«Verwunderung und Enttäuschung standen dem Staatsanwalt ins Gesicht geschrieben», unterstellt Erni der Anklage, als sie von den Aussagen eines Finanzchefs der Aduno erfahren hätte. Dieser hatte den Kauf von Commtrain als «sinnvoll» bewertet. Diese Übernahme war im Jahr 2007 der erste der Firmendeals.
Ab und zu beliebt es Erni, die Argumentation seiner Gegner ins Lächerliche zu ziehen. So habe die Anklage im Fall Investnet «ein Sammelsurium von Spekulationen und falschen Interpretationen» vorgelegt.
Kein Schaden, kein Vergehen
Ernis Vortrag ist nicht von der Brillanz, die man im Vorfeld vielleicht erwartet hätte. Es ist solide Verteidigungsarbeit, mit einem notorischen Hang zum Detail und einem monotonen Vortragsstil.
Die Strategie ist klar: Nur das eingestehen, was sich gar nicht mehr abstreiten lässt, dort, wo die Beweislast zu erdrückend ist.
Konkret: Im Fall der Commtrain gab es tatsächlich eine Beteiligung. Doch weil der Deal sich zum Vorteil aller entwickelt habe, sei niemandem ein Schaden entstanden – auch nicht der Käuferin Aduno. Kein Schaden, kein Vergehen, so die Logik der Verteidigung.
Es gab keine «Schattenbeteiligungen»
Bei all den anderen Deals bestreitet Erni, dass es Beweise für Beteiligungen gäbe, geschweige denn für die von der Staatsanwalt in den Raum gestellten «Schattenbeteiligungen». Keine Beteiligung, kein Verschweigen, kein Vergehen – so die Argumentationskette.
Fast schon aufgegeben hat Erni offenbar die Verteidigung der Spesenexzesse in der Höhe von über einer halben Million Franken. Anwaltskosten nach einem Streit im Park Hyatt sowie Reisespesen für die Töchter will Vincenz zurückzahlen. Diese Vorwürfe waren also nicht ungerechtfertigt.
Vincenz in guter Gesellschaft
Erni versucht immerhin die «Tour de Strip» – also Vincenz' frivole Streifzüge durch Cabarets und Stripclubs in der ganzen Schweiz – zu rechtfertigen: «Es ist eine Tatsache, dass es üblich war, nach einem anstrengenden Verhandlungstag Geschäftspartner nicht nur zu Nachtessen, sondern auch in Nachtclubs einzuladen.»
Und dass die Bank dafür bezahlt. Vincenz war offenbar in guter Gesellschaft. «Auch der Raiffeisen-Verwaltungsrat ging da nach Sitzungen manchmal hin», so Erni.
Mit «da» ist der King's Club in der alten Börse in Zürich gemeint, auch als «Stripclub der Zürcher Banker» bekannt. Ernis Fazit zur «Tour de Strip»: Man dürfe allenfalls anrüchiges Verhalten nicht zu einer strafbaren Handlung umdeuten.
Klar ist: Ernis Stundenkonto wird weiter anwachsen, denn der Prozess dauert in erster Instanz noch mindestens fünf Verhandlungstage.