Wenn die Spitzen der Pilotengewerkschaft Aeropers heute mit denen der Swiss zusammentreffen, steht weitaus mehr auf der Tagesordnung, als einen Streik abzuwenden: Es geht darum, den Ruf der Schweizer Airline wiederherzustellen. Die Lufthansa-Tochter ist seit Monaten in Turbulenzen: verfehlte Personalpolitik, gesunkener Service, schlechte Kommunikation, Betteln um Steuergelder.
Was Kunden einst als Premium-Produkt buchten, ist heute nur noch Mittelmass. Einen weiteren Tiefschlag in Form eines Pilotenstreiks – während der Herbstferien – kann sich die Swiss-Spitze um CEO Dieter Vranckx (49) nicht leisten.
Seit April fliegen seine Piloten ohne gültigen Gesamtarbeitsvertrag. Sie fordern einen Teuerungsausgleich und bessere Planbarkeit ihrer Einsätze. Die Swiss hingegen sieht bei den Löhnen wenig Handlungsbedarf. Und sie wünscht sich von den Piloten sogar mehr Flexibilität. Die Fronten sind verhärtet, und zwar nicht zum ersten Mal.
Swiss-Chef Vranckx gilt als umgänglich und pflegt einen «eher legeren» Führungsstil, wie aus dem Headoffice in Kloten zu hören ist. An den ersten Verhandlungsrunden nahm für die Swiss denn auch nicht Vranckx teil, sondern Betriebsleiter Oliver Buchhofer (45). Er gilt als hart und wenig konziliant. Insider glauben, dass genau deshalb bislang keine Einigung zustande gekommen ist. Heute ist Chef Vranckx (wie schon letzte Woche) wieder dabei. Das erhöht die Chancen auf eine Einigung deutlich.
Piloten kämpfen für Anerkennung
Auf der anderen Seite sitzt Aeropers-Präsident Clemens Kopetz (38), seit zwölf Jahren First Officer bei der Swiss. Wie er sind fast alle Piloten Mitglieder der Gewerkschaft – und stehen hinter den Forderungen.
Sukkurs erhalten sie vom Boden- und dem Kabinenpersonal, die deutlich härteres Brot zu kauen hatten. Am Freitag wurde bekannt, dass immerhin das Bodenpersonal mehr Lohn erhält: ein Hinweis darauf, dass sich der Wind in der Swiss-Geschäftsleitung dreht.
Letztlich geht es den Piloten auch um Anerkennung. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie hatten sie freiwillig auf einen Teil ihres Lohns verzichtet. Das soll nun honoriert werden.
Die beste und für die Swiss-Führungscrew gangbarste Variante wäre es, den Piloten entgegenzukommen, indem sie einen Ausgleich für die Teuerung erhalten und – wo möglich – die Planbarkeit ihrer Arbeitseinsätze erhöht wird. Vorteil für die Airline: Ihre Maschinen bleiben in der Luft.
Streik ist wahrscheinlich
Kommt es jedoch zum Streik, bleiben Swiss-Maschinen am Boden, Kunden dürften Ausfallentschädigungen geltend machen und die Reputation der Airline wäre nachhaltig ramponiert. Ein Szenario, das mit grosser Sicherheit nicht einmal den Leitwölfen um Carsten Spohr (55) in der Frankfurter Lufthansa-Zentrale behagen dürfte, die bis anhin nichts von den Forderungen der Piloten wissen wollten.
Die Möglichkeit, dass es zu einem Streik kommt, ist so gross wie noch nie in der 20-jährigen Geschichte der Swiss. Für Kunden könnte es ratsam sein, mit Buchungen zuzuwarten. Zumindest so lange, bis eine Einigung erzielt wurde.
Die Gewerkschaft will morgen die Öffentlichkeit darüber informieren, wie es im Pilotenstreit weitergeht.