Die Swiss-Piloten und Mitglieder der Pilotengewerkschaft Aeropers haben am Sonntag den historischen Streik abgesegnet. Finden Swiss-CEO Dieter Vranckx (49) und Aeropers-Präsident Clemens Kopetz am Wochenende am Verhandlungstisch keine Lösung, dürften am letzten Oktober-Wochenende die Swiss-Maschinen am Boden bleiben.
Streitpunkt ist ein neuer Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Die Piloten fordern mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. «Wir haben jahrzehntelang alles mitgemacht. Lohnkürzungen nach dem Grounding. Das Katastrophen-Management mit Crossair. Die Corona-Pandemie. Genug ist genug!», sagt Swiss-Pilot Markus G.* Der Familienvater sass in den 1990er-Jahren schon für die Swissair im Cockpit. Er gewährt Blick einen Einblick in seinen Arbeitsalltag, will aber aus Angst vor Repressalien anonym bleiben.
«Ich hatte seit Mai kein einziges freies Wochenende mehr», sagt G. In der Regel sieht sein Arbeitsplan so aus: Am Sonntag gehts nach Südamerika. Am Dienstag zurück in die Schweiz. Am Donnerstag weiter nach Asien, am Samstag wieder zurück. Dann hat ein Pilot drei Tage frei. Bevor das ganze Spiel von vorne losgeht. «Ich werde nur fürs Fliegen bezahlt. Wenn ich den Flug zu Hause vorbereite, mache ich das gratis. Und wenn ich mich auf die halbjährliche Prüfung am Simulator vorbereite, mache ich das gratis.»
«Die ganze Familie leidet unter meinem Arbeitsplan»
Markus G. kriegt seinen Arbeitsplan für die kommenden vier Wochen jeweils am 25. des Vormonats. Pläne mit Familien und Freunden kann er erst danach schmieden. «Vorher macht das keinen Sinn. Ich müsste sowieso 80 Prozent davon wieder absagen.» Die Feiertage in der Schweiz – wie Ostern, den 1. August oder Weihnachten – kennt der Pilot nicht. «Ich fliege an Heiligabend und in der Nacht, verdiene aber gleich viel und kriege den Feiertag nicht einmal kompensiert.»
Auch alltägliche Dinge wie ein Konzertbesuch mit der Frau oder in einem Sportverein aktiv zu sein, passe nicht ins Leben eines Swiss-Piloten. «Das Schlimmste ist die Distanz zu meiner Familie», sagt G. «Traurig ist es, wenn ich meine Ferien nicht in den Schulferien meiner Kinder beziehen kann. Die ganze Familie leidet unter meinem Arbeitsplan.» Das gehe an die Psyche.
«Pilot ist kein Beruf, das ist eine Berufung», stellt G. klar. Das Management nutze das bewusst aus. «Sie denken, wir machen sowieso weiter, weil wir unseren Job lieben.» Lange Zeit traf das auch zu. «Wir Schweizer machen die Faust im Sack, aber wir würden niemals streiken.» Die deutschen Piloten im Korps hätten ihre Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren aufgerüttelt. «Und die junge Generation», so G. «Die machen das nicht mehr mit. Die wollen auch ein Leben haben!»
Jedes halbe Jahr könnte Markus G. seinen Job verlieren
Finanziell steht Markus G. mit einem Jahressalär von rund 200'000 Franken auf den ersten Blick gut da. «Aber so viel verdient man bei der Swiss erst am Karriereende», gibt er zu bedenken. Ausserdem ist für die Piloten in der Regel zwischen 58 und 60 Jahren Schluss. «Dann haben wir fünf oder sieben Jahre eine Lücke in der Pensionskasse und eine deutlich tiefere Rente.»
Hinzu kommt die riesige Verantwortung, die ein Pilot für Hunderte von Passagieren hat. «Deshalb müssen wir auch alle sechs Monate wieder zur Theorie- und Praxisprüfung antraben», sagt er. «Jedes halbe Jahr könnten wir unseren Job verlieren – und würden dann vor dem Nichts stehen. Ein riesiger Stressfaktor.» Aus diesen Gründen fordert Aeropers neben besseren Arbeitsbedingungen auch mehr Lohn. G.: «Auch wir Piloten haben ein soziales Leben verdient. Wenn wir das nur durch einen Streik erreichen, dann müssen wir das durchziehen.»
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*Name der Redaktion bekannt