Spekulation auf Kriegsaktien trotz strikter Richtlinien
Basler KB zieht umstrittenes Finanzprodukt zurück

Die Basler Kantonalbank schliesst Geschäfte mit Rüstungsfirmen strikt aus. Trotzdem lancierte sie ein Finanzprodukt, mit dem Kunden auf den deutschen Waffenkonzern Rheinmetall spekulieren konnten.
Publiziert: 21.04.2024 um 15:45 Uhr
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Aktualisiert: 21.04.2024 um 15:46 Uhr
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Foto: IMAGO/ABACAPRESS
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Die Basler Kantonalbank (BKB) hat entgegen ihrer Anlagerichtlinien ein Finanzprodukt mit einem Waffenkonzern lanciert. Konfrontiert mit den Recherchen, nahm die Bank das Produkt eilig wieder vom Markt. Die Bank spricht von einem «Abstimmungsfehler». 

Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall ist einer der grossen Gewinner der letzten zwei Jahre. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine schossen die Auftragseingänge in die Höhe. Die Herstellerin von Maschinengewehren, Munition und schweren Artilleriegeschossen sowie des modernen Kampfpanzers Panther erzielte 2023 einen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr rechnet Rheinmetall bereits mit 10 Milliarden. Konzernchef Armin Papperger sprach im März von einer «neuen sicherheitspolitischen Dekade, die begonnen hat».

Wer Aktien des Kriegsprofiteurs kaufte, konnte hohe Gewinne einstreichen. Seit Anfang 2022 kletterten die Titel von 90 auf über 500 Euro – ein Plus von mehr als 400 Prozent. Allein seit Beginn des Gazakriegs mit Zehntausenden Toten hat sich der Aktienkurs verdoppelt. Auch Israel steht auf der Kundenliste des Rüstungskonzerns, der mit israelischen Partnern ein Haubitzensystem sowie Kampfdrohnen entwickelt. Gemäss Recherchen des «Spiegels» soll die israelische Regierung im November um rund 10'000 Schuss Präzisionsmunition gebeten haben. Hersteller ist Rheinmetall.

«Der Boom im Rüstungsbereich» (O-Ton Rheinmetall) hat gerade erst begonnen. Nach Zahlen des Londoner International Institute for Strategic Studies stiegen die weltweiten Rüstungsausgaben 2023 um 9 Prozent auf 2200 Milliarden Dollar. Damit haben sie einen neuen Rekordwert erreicht. Für 2024 rechnet das Institut mit einem weiteren Anstieg wegen des Kriegs in der Ukraine und weil sich die Unsicherheit im Nahen Osten ausweitet.

Rüstungsaktien wieder «en vogue»

Rüstungsaktien sind wieder «en vogue», nachdem sie lange Jahre verpönt waren. Diese Woche wurde auf dem Schweizer Finanzplatz ein neues Produkt lanciert, das Rheinmetall als «lohnendes» Investment anpreist. «In der Welt der Diplomatie und Politik war Abrüstung über viele Jahrzehnte eines der wichtigsten Themen», heisst es in den Werbeunterlagen. Doch «zunehmende Krisenherde bedrohen den Frieden und die Politik beginnt umzudenken». Rheinmetall wird als Profiteurin der Aufrüstung beschrieben. Der Rüstungskonzern erfreue sich einer hohen Nachfrage, die in Zukunft noch steigen könnte, heisst es in dem Schreiben. 

Hinter dem Produkt stehen die Zürcher Derivateboutique Leonteq und die Basler Kantonalbank. Im Schreiben wird nicht der Kauf von Rheinmetall-Aktien empfohlen, sondern ein strukturiertes Produkt – ein sogenannter Callable Barrier Reverse Convertible. Dabei handelt es sich um ein Standardprodukt, wie es in der Schweiz zu Hunderten angeboten wird. Wer das Rheinmetall-Papier kauft, bekommt einen festen Zins von 13 Prozent pro Jahr. Am Ende der Laufzeit (15 Monate) erhält der Kunde den investierten Betrag zurück, sofern der Emittent das Produkt nicht vorzeitig kündigt. Weitere wichtige Einschränkung: Die Aktie darf während der Laufzeit nicht unter 59 Prozent des fixierten Startkurses fallen. Wird diese Barriere (Barrier) durchbrochen, erhält der Kunde die Aktien sofort ins Depot geliefert. 

Callable Barrier Reverse Convertibles sind beliebte Spekulationsprodukte für Privatanleger, die eine hohe Verzinsung suchen. Während Leonteq vor allem als Ideengeberin auftritt, ist die BKB als sogenannte Emittentin für die Konstruktion, den Verkauf und die Überwachung des Produkts zuständig. Investiert ein Kunde in das Produkt, fliesst das Geld in die Bilanz der BKB. 

Geschäfte mit Waffenfirmen sind tabu

Geschäfte mit Rüstungskonzernen sind für die BKB allerdings tabu. So steht es in den 2017 eingeführten «Richtlinien zu kontroversen Umwelt- und Sozialthemen». Darin heisst es: «Die Basler Kantonalbank sieht von aktiven Kaufempfehlungen für Wertschriften jener Unternehmen ab, die Kriegsmaterial herstellen oder damit handeln. Ausgeschlossen sind zudem auf Kriegsmaterial spezialisierte Zulieferer.»

Konkret heisst das: «Der Erwerb von entsprechenden Wertschriften wird – ohne explizite anders lautende Vorgabe der Kunden – im Rahmen von Mandatslösungen sowie selbstverwalteten Kollektivanlagen ausgeschlossen. Im Weiteren werden an entsprechende Unternehmen keine Kredite gewährt.» Im Falle des Derivats ist klar, dass es sich um eine Kollektivanlage fürs breite Publikum handelt und somit auf den Index gehört. 

Mit den Recherchen konfrontiert, reagierte die Basler Kantonalbank umgehend. Schon nach wenigen Stunden wurde das bereits zur Zeichnung aufgelegte Produkt vom Markt genommen. Der Kommunikationsleiter der BKB schreibt dazu: «Es handelte sich um einen Abstimmungsfehler, der inzwischen korrigiert wurde. Eine Produktzeichnung ist nicht mehr möglich.» Weitergehende Erklärungen gab er nicht ab. 

Die BKB ist zu 100 Prozent im Besitz des Kantons Basel-Stadt. Die Politik hat der Bank bereits vor Jahren im Rahmen der Eigentümerstrategie Vorgaben zur Nachhaltigkeit gemacht. Ein unabhängiger Beirat und eine Fachstelle wurden geschaffen, um diese Themen in der Bank zu verankern. Trotzdem gibt die Geschäftspolitik der Bank immer wieder Anlass zu Kontroversen. 

Zuletzt geriet die BKB in die Kritik, als sie für einen einzelnen institutionellen Anleger einen sogenannten «Corona-Virus-Basket» lancierte. Dabei handelte es sich um ein Tracker-Zertifikat, das 16 Schweizer Aktien abbildete, die von der Pandemie besonders profitieren sollten. Die Bank musste daraufhin den Namen ändern, was von der Regierung begrüsst wurde. 

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