Das Massnahmenpaket von Karin Keller-Sutter (60) hatte einen schlechten Start. «Kein Punch», «weniger hart als befürchtet», «nicht wirklich überraschend». Die ersten Urteile fielen vernichtend aus. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) habe es versäumt, griffige Regeln vorzuschlagen, um einen weiteren Grossbankenkollaps zu verhindern. Viele Beobachter hatten erwartet, dass die Regierung strengere Eigenkapitalquoten einführen würde.
Zum Beispiel, dass die UBS ihre Aktiven mit zehn Prozent statt nur mit fünf Prozent Eigenkapital unterlegen muss. Eine solche Massnahme wäre zweifellos leichter zu vermitteln gewesen, hätte aber im Parlament einen schweren Stand gehabt. Stattdessen veröffentlichte Keller-Sutter am Mittwoch 22 Massnahmen. Das hat Verwirrung gestiftet. Was ist wichtig, was nicht? Auf den ersten Blick war das nicht klar.
In solchen Situationen lohnt sich oft ein Blick auf die Börse. Die UBS-Aktie brach sofort ein, als der «Bericht zur Bankenstabilität» am Mittwochnachmittag veröffentlicht wurde. Am zweiten Tag ging es weiter abwärts, und auch am dritten Tag schlossen die UBS-Aktien im Minus. Insgesamt verlor die UBS an der Börse über fünf Milliarden Franken an Wert.
Doch härter zugeschlagen
Die heftige Reaktion war ein Zeichen dafür, dass Bundesrätin Keller-Sutter vielleicht härter zugeschlagen hatte als gedacht. Und langsam wurde auch klar, dass vor allem eine Massnahme, im Bericht ist es die Nummer 15, wohl die härteste ist. Sie heisst: «Eigenmittelunterlegung für ausländische Beteiligungen». Sie verlangt, dass systemrelevante Banken für ihre Tochtergesellschaften im Ausland mehr Eigenkapital vorhalten müssen.
Das klingt harmlos, kann aber für die UBS mit ihren vielen Töchtern im Ausland teuer werden. Bisher durften Grossbanken den Wert dieser Töchter in der Bilanz des Mutterhauses nur zu 60 Prozent mit Eigenkapital unterlegen, den Rest mit Fremdkapital. Die Credit Suisse reizte diesen Rabatt bis zum Exzess aus. Das hatte zur Folge, dass die CS im Sommer 2022 das US-Investmentbanking nicht abstossen konnte, weil das Eigenkapital des Stammhauses viel zu stark belastet worden wäre. Die Finma war damals nicht mehr bereit, der Bank weitere Ausnahmeregelungen zu gewähren, was den Niedergang praktisch unausweichlich machte.
Es stimmt also nicht oder nur zur Hälfte, wenn die UBS-Chefs Sergio Ermotti (63) und Colm Kelleher (66) behaupten, die Credit Suisse sei nicht an zu wenig Eigenkapital zugrunde gegangen. Ein Blick in die Bilanzen der Tochtergesellschaften und des Mutterhauses zeigt, dass das Eigenkapital sehr wohl ein grosses und entscheidendes Problem war.
Gemäss Recherchen war man sich im EFD rasch einig, dass dieser Eigenmittelrabatt abgeschafft werden sollte. Dabei stützte man sich auch auf Analystenberichte des Finanzanalysehauses Autonomous Research, das schon lange vor dem Zusammenbruch der CS auf deren dünne Kapitaldecke hingewiesen hatte. Auch innerhalb des EFD wurden Schätzungen angestellt, wie teuer die Abschaffung des Kapitalrabatts die UBS zu stehen kommen könnte.
Interessant ist, dass am Freitag eine Studie von Autonomous Research an die Öffentlichkeit gelangte, die von einer Eigenkapitallücke von 10 bis 15 Milliarden ausging. Die Zahlen sind nicht unrealistisch und werden in EFD-Kreisen bestätigt. Dass es schnell in die Milliarden gehen kann, lässt sich auch selbst nachrechnen: Die Tochter UBS Americas Holding LLC weist per Ende 2023 ein Kernkapital von 17 Milliarden Dollar aus. Im Stammhaus UBS muss die Bank davon nur 10,2 Milliarden vorhalten. Das ergibt einen Rabatt von 6,8 Milliarden, der in Zukunft wegfallen könnte.
Inlandsbanken verschont
In der Schweiz ist nicht nur die UBS eine systemrelevante Bank, auf die die neuen Massnahmen abzielen, sondern auch die Zürcher Kantonalbank, Raiffeisen und Postfinance. Ein Beobachter sagt: «Der Charme des Massnahmenpakets liegt darin, dass es gezielt die UBS trifft, die inlandsorientierten Banken aber verschont.» Anders wäre es gewesen, wenn die Eigenmittelquote generell auf zehn Prozent erhöht worden wäre. Dies hätte mit ziemlicher Sicherheit zu einer Verteuerung der Kredite geführt.
Der beabsichtigte Effekt ist klar: Wenn die UBS im Ausland stark wachsen will, wird das für sie in Zukunft deutlich teurer. Die Expansionspläne der Grossbank in den USA erhalten damit einen Dämpfer. UBS-Investmentbanking-Chef Rob Karofsky (53) hat angekündigt, im US-Investmentbanking wieder zu den grossen Wall-Street-Banken aufzuschliessen. Und auch das Wealth Management von Iqbal Khan (48) will die UBS in den USA ausbauen und die Kundengelder auf 5000 Milliarden Dollar steigern.
Und noch einen Kinnhaken versetzt Karin Keller-Sutter der Bank. Die UBS muss wohl ihre angekündigten Aktienrückkäufe überdenken. Erst letzte Woche hat die Grossbank angekündigt, eigene Aktien im Wert von zwei Milliarden Dollar zurückzukaufen. Aktienrückkäufe sind das Gegenteil von Eigenkapitalaufbau. Die UBS-Führung wird sich dazu erklären müssen. Nächster Termin: die Generalversammlung vom 24. April.