Die Erleichterung auf dem Finanzplatz war gross, als Ueli Maurer (73) Anfang 2016 Chef des Finanzdepartements wurde. Seine Vorgängerin Eveline Widmer-Schlumpf (67) hatte sich in den Jahren zuvor einen Ruf als Bankenschreck gemacht. Der diplomierte Buchhalter Maurer hingegen entpuppte sich rasch als glühender Verfechter des Finanzplatzes, als Chefpromoter der Geldbranche.
Wie Recherchen ergaben, schwächte Ueli Maurer auch gezielt die von ihm politisch geführte Finanzmarktaufsicht (Finma). So soll er persönlich dafür gesorgt haben, dass das Mandat des ehemaligen Finma-Präsidenten vorzeitig beendet wurde. Damit schwächte er die Aufsichtsbehörde nachhaltig – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich die Probleme der Credit Suisse dramatisch zuspitzten.
Thomas Bauer (68) wurde Mitte 2015 noch unter Finanzministerin Widmer-Schlumpf vom Bundesrat zum Präsidenten der Finanzmarktaufsicht gewählt. Der Basler Jurist trat sein Amt zeitgleich mit Ueli Maurer an, also Anfang 2016. Er war ein Mann der leisen Töne und gab selten Interviews. Wichtig sei, dass eine Aufsichtsbehörde «effizient, glaubwürdig und respektvoll» mit den Beaufsichtigten umgehe, sagte er einmal der «Schweiz am Sonntag». «Bankenfreundlich» sei kein Attribut, das eine Behörde als Kompliment empfinde.
Er überliess die Bühne Mark Branson (55), dem Direktor der Finma, der die Behörde ab Frühling 2014 operativ leitete. Er war es, der den Schweizer Banken die weltweit strengsten Eigenmittelvorschriften auferlegte. Und er war es, der ihnen die Stirn bot, wenn sie Lockerungen forderten. Branson wusste genau, wie Banker tickten – er war selbst einer, zuletzt als Finanzchef der globalen Vermögensverwaltung der UBS.
Das Tandem Bauer-Banson rollte
Branson trat selbstbewusst auf und konnte austeilen, auch weil ihm Bauer politisch den Rücken freihielt. Das Tandem Bauer-Banson rollte. Als Anfang 2020 die Covid-Krise ausbrach, hatte die Credit Suisse erstmals Schwierigkeiten, genügend Liquidität bereitzustellen. Ein Alarmzeichen. Branson setzte bei der CS höhere Liquiditätspuffer durch. Damit konnte die Bank die gigantischen Abflüsse im Oktober 2022 gerade noch verkraften. Branson forderte eine weitere Verschärfung der Aufsicht, bekam aber von Maurer keine Unterstützung mehr.
Im Juli 2019 wurde Thomas Bauer für eine weitere dreijährige Amtszeit gewählt. Doch diese sollte nicht lange dauern. Bereits im März 2020 kündigte er seinen Rücktritt an. Laut Recherchen hatte Ueli Maurer dem Finma-Präsidenten in rüder Art und Weise zu verstehen gegeben, dass er nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wolle. Bauer hätte mindestens seine dreijährige Amtszeit bis Ende 2023 fortsetzen wollen. Doch es kam anders. Marlene Amstad (55) wurde am 13. März 2020 zu Bauers Nachfolgerin ernannt. Sie war seit 2018 Vizepräsidentin der Behörde. Die Spitzenposition wurde ohne formelle Ausschreibung besetzt.
Massregelung von Banson
Offiziell trat Amstad ihr Amt Anfang 2021 an. Kurz darauf kam es zum Eklat mit Finma-Direktor Branson. Wie die Nachrichtenagentur Reuters diese Woche enthüllte, soll sie nach ihrem Amtsantritt begonnen haben, von Finma-Kadern Informationen über die Bankenaufsicht einzufordern, was Insider als Massregelung von Branson interpretierten.
Amstad soll vom Finma-Verwaltungsrat zusätzliches Personal gefordert haben, um die Kontrolle über Branson weiter auszubauen. Diese Stabsstelle wurde aber nie geschaffen, weil sich die Finma-Spitze erfolgreich dagegen wehrte. Wenige Monate später reichte Branson seinen Rücktritt ein, heute ist er Chef der deutschen Aufsichtsbehörde Bafin. Sein Nachfolger wurde Urban Angehrn (58), ein Mann mit Versicherungshintergrund.
Während sich die Lage bei der Credit Suisse mit jedem Skandal verschlimmerte, wurde die Finma durch den Abgang weiterer Spitzenbeamter zusätzlich geschwächt. Die Chefs der Bereiche Bankenaufsicht und Bankenabwicklung verliessen die Behörde. Amstad habe nicht in die Aufsichtsarbeit eingegriffen, sondern die Arbeit des Aufsichtsgremiums «neu organisiert», heisst es bei der Finma.
Fatale Konstellation
Besonders fatal erwies sich die neue Konstellation der Finma im Herbst 2022. Die Nationalbank erkannte klar, wie dramatisch schlecht es um die Grossbank stand. SNB-Präsident Thomas Jordan (60) wollte 50 Milliarden Franken in die Bank pumpen und sie verstaatlichen. Er kam zum Schluss, dass die Krise nur so gelöst werden könne. Doch die Finma und das Finanzdepartement von Ueli Maurer lehnten eine Verstaatlichung ebenso ab wie das Management der Credit Suisse. Da man sich nicht einigen konnte, beschlossen die Behörden, die Bank ihrem Schicksal zu überlassen.
Als Maurer Ende 2022 aus dem Bundesrat ausschied, sagte er, man solle die CS ein, zwei Jahre in Ruhe lassen, dann werde alles gut. Heute muss man sagen: Seine Worte waren eine bewusste und völlig falsche Darstellung der Realität. Als die Bank im März durch weitere Geldabzüge faktisch zahlungsunfähig wurde, waren die Schweizer Behörden unvorbereitet und hatten nur eine realistische Option: den Verkauf an den Erzrivalen UBS.