An CS-Krisensitzung im Herbst
Bundesrat rüffelte Finanzminister Ueli Maurer

Hat der Ex-Finanzminister zu wenig für die Rettung der CS getan? Im Herbst kam es zum Disput in der Regierung, als es um die Notlage der Grossbank ging, wie SonntagsBlick-Recherchen zeigen.
Publiziert: 15.04.2023 um 20:03 Uhr
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Aktualisiert: 16.04.2023 um 08:56 Uhr
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Stabsübergabe: Am 20. Dezember übergab Maurer die Schlüssel zum Finanzdepartement seiner Nachfolgerin Karin Keller-Sutter.
Foto: keystone-sda.ch
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Vorneweg sei hier einmal erwähnt, was im politischen Pulverdampf des Credit-Suisse-Debakels zuweilen vergessen geht: Verantwortlich für das Ende der Bank ist das Management der Bank. Erst viel später folgen Regulatoren, Regierung und Behörden.

Und doch fällt bei der Frage, wie es so weit kommen konnte, sehr oft der Name eines Mannes, der sich in diesen Tagen öffentlich in Schweigen hüllt und Medienanfragen ignoriert: Ueli Maurer (72), von 2016 bis zum vergangenen Dezember Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) und damit während sieben Jahren politischer Schirmherr über den Schweizer Finanzplatz, zuständig für Stabilität und Nachhaltigkeit des helvetischen Bankensektors.

Maurer war Präsident der SVP und hochrangiger Vertreter des einst mächtigen Zürcher Flügels, ehe er 2008 in die Landesregierung gewählt wurde. Als Bundesrat erlebte er die Nachwehen der staatlichen UBS-Rettung mit, den Niedergang des Bankgeheimnisses und die Einführung der «Too big to fail»-Gesetze.

Sparen, Sparen, Sparen

Seit er 2016 vom Verteidigungs- ins Finanzdepartement wechselte, schrieb er sich aber drei andere Themen auf die Fahne: Sparen, Sparen, Sparen. Trotz seines Status als «Mister Schuldenbremse» blieben ihm die grossen politischen Triumphe jedoch verwehrt – bis er sich 2020 in der Covid-Pandemie mit dem Rettungsplan für die KMU landesweit Respekt verschaffen konnte.

Das Husarenstück bleibt als Maurers Karrierehöhepunkt in Erinnerung – und hat seinen Ursprung an der Zürcher Bahnhofstrasse: Initiator des Hilfsprogramms war Thomas Gottstein (59), damals CEO der Credit Suisse.

Der Spitzenbanker wurde mit seiner Idee erfolgreich beim Bundesrat vorstellig, worauf sich eine gut geölte Standleitung zwischen Paradeplatz und Bernerhof zu etablieren begann, dem Sitz des Finanzdepartements in der Bundesstadt.

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Ueli Maurer verabschiedet sich:«Ich bin stolz darauf, ein Rappenspalter zu sein»

Ein wenig CS-Bundesrat geworden

Das Virus machte das Geldhaus des Zürcher Bürgertums und den Bauernsohn Ueli Maurer zu engen Verbündeten. In jenen Tagen, so beschreibt es ein Beobachter, sei der hundertprozentige SVP-Bundesrat auch ein wenig CS-Bundesrat geworden.

Umso ärgerlicher war, dass die Grossbank weiterhin so verlässlich Negativschlagzeilen lieferte wie unter Gottsteins Vorgänger Tidjane Thiam (60): Fehlspekulationen mit dem US-Hedgefonds Archegos und der Greensill Bank führten zu Milliardenverlusten und Vertrauensschwund.

Bis Gottstein im Juli 2022 die Bank verliess. Nur zwei Monate später, Ende September, tat es Ueli Maurer ihm gleich und kündigte seinen Rücktritt aus dem Bundesrat an.

Laisser-faire-Liberalismus

Trotz der Skandale und Alarmzeichen schien der Finanzminister allerdings nie wirklich strengere Zügel für den Bankenplatz gewollt zu haben. Während Maurer einst als Bauernvertreter noch auf Planwirtschaft setzte, hielt er als Finanzminister ebenso eisern am Laisser-faire-Liberalismus fest.

Es ist ein unangenehmer Zufall der Geschichte, dass genau einen Tag nach Bekanntwerden von Maurers Demission am 30. September das Menetekel für die Credit Suisse an der Wand erschien. Am 1. Oktober löste ein australischer Journalist mit einem ominösen Twitter-Beitrag bei den Märkten ein Beben aus: «Eine vertrauenswürdige Quelle sagt mir, dass eine grosse internationale Investmentbank am Abgrund steht.»

Die Folgen waren ein Geldabfluss von über 85 Milliarden und existenzielle Not für die Escher-Bank. Sollte Maurer damals ruhige Monate als «lahme Ente» im Bundesrat erwartet haben, dürfte er enttäuscht worden sein.

Maurer kam schlecht weg

Wie die «NZZ» am Freitag publik machte, traf sich Maurer daraufhin mit dem Lenkungsgremium Finanzkrisen, dem neben dem EFD-Chef auch die Präsidentin der Finanzmarktaufsicht und der Präsident der Nationalbank angehörten.

In jenen Wochen führte aber auch die Landesregierung unter höchster Geheimhaltung mehrfach Besprechungen durch. Nichts durfte an die Öffentlichkeit dringen, jedes falsche Signal nach aussen hätte für die CS verheerende Konsequenzen haben können.

Einmal traf sich das Gremium im Oktober zu einer denkwürdigen Krisensitzung. Verlangt wurden vom Finanzdepartement eine Auslegeordnung und mögliche Szenarien. Nach SonntagsBlick-Recherchen kam Maurer schlecht weg: Das EFD wurde für die mangelhafte Dokumentierung der Sachlage kritisiert, auch bei der Prüfung möglicher Handlungsoptionen stellten die Kollegen Luft nach oben fest. Der Rüffel wurde gemäss bestens unterrichteten Quellen protokollarisch festgehalten.

Zwischenzeitliche Entspannung dank den Saudis

Der Angegriffene wies die Kritik freilich zurück und wollte nichts von einer nachlässigen Vorbereitung wissen. Und doch blieb stets der Verdacht, dass Maurer für eine regulatorische Verschärfung nicht zu haben sei; schliesslich war es seine Partei, aus der in der Vergangenheit immer wieder Angriffe auf die Finma erfolgt waren, und Maurers Fehde mit dem ehemaligen Finma-Direktor Mark Branson (54) gilt im Bundeshaus als offenes Geheimnis.

Gegenüber SonntagsBlick liess der alt Bundesrat entsprechende Fragen unbeantwortet. Ein Sprecher der Bundeskanzlei teilt mit, dass sich der Bundesrat letztes Jahr «mehrmals mit der CS beschäftigt» habe, «ab Ende Oktober 2022 war dies intensiver der Fall». Weitere Informationen könne man nicht geben, «da die Sitzungen des Bundesrates vertraulich sind».

Zum Glück für Maurer entspannte sich die Lage einige Tage nach der besagten Konferenz. Am 27. Oktober eilte die Saudi National Bank mit einer Finanzspritze von 1,5 Milliarden zu Hilfe, und die CS kündigte eine Kapitalerhöhung von insgesamt vier Milliarden an. Womit die beim Bund diskutierten Rettungspläne aus damaliger Sicht nicht mehr akut waren.

«Ein Jahr oder zwei in Ruhe lassen»

Das frische Geld aus der Golfmonarchie war als Beruhigungsmittel für Händler und Kunden gedacht, wirkte offenbar aber auch sedativ im Bundesrat. Das zeigte sich bei Maurers letztem Interview im Amt, als er am 13. Dezember gegenüber SRF über die CS gesagt hat: «Man muss sie jetzt einfach ein Jahr oder zwei in Ruhe lassen.»

Leider kam es anders. Am 19. März stellte der Staat im Lead von Maurers Nachfolgerin Karin Keller-Sutter (59) die Bank unter die Fittiche der UBS.

Ob Maurers Interview-Aussage im Nachhinein als naiv bewertet werden muss oder ob sie als gezieltes Signal an die Märkte gedacht war, wird sein Geheimnis bleiben.

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