«Weltweite Bankenkrise wird mehrere Monate toben»
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Ökonom Klaus Wellershoff:«Weltweite Bankenkrise wird mehrere Monate toben»

Nach dem CS-Beben
Diese sieben Fragen muss die Politik klären

Die CS ist Geschichte, ein Kollaps des Finanzsystems wohl abgewehrt. Nun muss die Aufarbeitung des Debakels beginnen. Blick zeigt, welche Fragen die Politik jetzt beantworten muss.
Publiziert: 25.03.2023 um 11:52 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2023 um 12:52 Uhr
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Die Credit Suisse ist bald Geschichte. Die Geschichte aber muss aufgearbeitet werden.
Foto: keystone-sda.ch
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Sermîn FakiPolitikchefin

Vor sieben Tagen wurde das Schicksal der Credit Suisse besiegelt – sie soll sterben. Eine globale Finanzkrise durch einen unkontrollierten Zusammenbruch die Grossbank konnte so verhindert werden. Aus Schweizer Sicht bleiben aber viele Fragen offen.

Die Politik muss die Hauruck-Rettung der CS aufarbeiten. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats will das tun. Sie hat am Freitag eine Untersuchung angekündigt. Voraussichtlich im Mai wird das Parlament zudem entscheiden, ob es noch einen Schritt weitergehen will und eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einsetzt.

Welche Fragen werden die Parlamentarinnen den Bankern und der Aufsicht stellen? Blick sagt, welche unbedingt dazugehören müssen.

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Wo war die Aufsicht?

Zwar war es überraschend, dass die UBS die CS schluckt, wie am Sonntag verkündet wurde. Doch die Probleme der Credit Suisse sind nicht neu. Offenbar gab es schon im vergangenen Jahr Hinweise, dass es schlecht um die CS stehe. Im November setzte der damalige Finanzminister Ueli Maurer (72) gemäss einem Bericht des «Tages-Anzeigers» gar eine ausserordentliche Bundesratssitzung an, sagte sie aber wieder ab. Doch wenn der Ernst der Lage schon länger klar war – warum musste die Bank dann in einer Hauruck-Atkion gerettet werden? Hat die Aufsicht funktioniert? Zuständig ist unter anderem die Finanzmarktaufsicht (Finma). Hat sie genug getan? Hätte sie früher eingreifen können – oder gar müssen?

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Gesetze für die Katz?

Nachdem der Bund 2008 die UBS retten musste, sollte sichergestellt werden, dass nie wieder Steuergeld eingesetzt wird, um eine Bank aufzufangen. Dazu haben Bundesrat und Parlament in jahrelanger Kleinarbeit die Too-big-to-fail-Regulierung (TBTF – zu Deutsch «zu gross, um zu scheitern») erarbeitet: Seitdem müssen systemrelevante Banken zu jedem Zeitpunkt ein gewisses Polster an Eigenkapital und Liquidität vorweisen können und sogar Pläne haben, wie sie im Pleitefall abgewickelt werden.

Bei der CS hat das nichts genutzt. Es mag sogar sein, dass die TBTF-Regeln in der aktuellen CS-Krise nicht geholfen hätten, wie Experten nun sagen. Denn die Grossbank ging am Vertrauensverlust der Kunden zugrunde und nicht am fehlenden Eigenkapital. Doch ist tatsächlich das ganze Gesetz für die Katz? Bundesrat und Parlament sollten analysieren, wo das TBTF angepasst werden muss. Wer weiss denn schon, ob bald die nächste systemrelevante Bank den Bund um Hilfe anfleht?

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Ein neues Monster

Durch die Fusion von CS und UBS entsteht eine Super-Bank mit einer Bilanzsumme von 1,5 Billionen Franken. Das ist doppelt so viel wie das Bruttoinlandprodukt der Schweiz! Wenn TBTF schon bei der CS nichts genutzt hat, könnten die Regeln beim neuen Bankenmonster erst recht versagen. Doch die Super-UBS ist nun definitiv zu gross, um zu scheitern.

Heute geht es dieser zwar blendend. Doch man sollte nicht vergessen, dass die UBS vor 15 Jahren selbst ein Rettungsfall war. Und weil niemand weiss, was die Zukunft bringt, muss die Schweiz vorsorgen, damit die UBS dereinst nicht die Schweiz mit in den Abgrund zieht. Experten und Parteien von links bis rechts fordern darum, dass die UBS zerschlagen wird. Das umzusetzen, dürfte in der liberalen Schweiz nicht einfach sein – zumal die UBS sich zu Recht darauf verweisen kann, dass sie ja vom Bund zur Retterin in der Not gemacht wurde.

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Wurden Alternativen wirklich geprüft?

Angesichts des Risikos, zu dem die neue Mega-Bank werden könnte, muss überprüft werden, ob es wirklich keine gute Alternative gab. Gemäss Experten hätten nämlich zwei andere Rettungswege zur Verfügung gestanden: Eine Abwicklung oder Sanierung der Bank nach den TBTF-Regeln oder eine befristete Verstaatlichung, bei der die Nationalbank alle CS-Aktien erworben hätte. Für diese Lösung hat etwa Ex-CS- und UBS-Chef Oswald Grübel (79) geworben. Offenbar lagen alle drei Szenarien auf dem Tisch des Bundesrats. Die ausschlaggebenden Gründe, warum es letztlich zur Zwangsheirat kam, kennt die Öffentlichkeit bislang nicht. Dem sollte das Parlament auf den Grund gehen.

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Wie frei war der Bundesrat?

Die Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59), Nationalbankchef Thomas Jordan (60) und Finma-Präsidentin Marlene Amstad (55) hatten laut dem «Tages-Anzeiger» bereits am Mittwoch, 15. März, gesehen, dass die CS «innert Tagen» zusammenzubrechen droht. Also gleisten sie die Übernahme auf. Gemäss heutigen Erkenntnissen, ohne vorher den Gesamtbundesrat zu konsultieren oder zu informieren. In anderen Departementen soll denn auch Irritation darüber geherrscht haben, dass die UBS-Lösung schon vorgespurt war. Die Frage, die sich stellt: Hatte der Gesamtbundesrat die Möglichkeit, anders zu entscheiden als von Keller-Sutter vorgegeben, oder war das gar nicht mehr möglich? Das würde den Entscheid in einem schlechten Licht erscheinen lassen.

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Schon wieder Notrecht

Der Bundesrat griff zu Notrecht, um die CS der UBS zur Einverleibung darzureichen. Es habe keine andere Möglichkeit gegeben, um die Stabilität der Schweizer Volkswirtschaft und des Finanzsystems zu sichern, begründet die Landesregierung. Das mag sein – aber Notrecht wird in den letzten Jahren immer mehr zum Mittel der Wahl. Nicht nur jetzt bei der CS-Rettung, sondern auch zuvor in der Corona-Pandemie und beim Rettungsschirm für den Energiekonzern Axpo. (Dort allerdings nur, weil sich das Parlament geweigert hatte, mit dem Rettungsschirm vorwärts zu machen.)

Dennoch häuft sich die Anwendung von Notrecht – und vielleicht häufen sich auch die Krisen, die den Griff dazu notwendig machen. Notrecht aber sollte die Ausnahme bleiben, denn damit umgeht der Bundesrat Parlament und Volk. Es gibt der Landesregierung eine Macht, die ihr nur in absoluten Ausnahmefällen zustehen sollte. Hier ist das Parlament gefragt, seine Verantwortung mehr wahrzunehmen.

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Wen kann man zur Verantwortung ziehen?

Der Schweizer Steuerzahler bürgt mit 109 Milliarden Franken für das Versagen der CS-Chefetage. Hinzu kommen weitere 100 Milliarden von der Nationalbank. Selbst wenn sich der Deal – wie damals bei der UBS-Rettung – letztlich als Gewinn für die Bundeskasse erweisen sollte, stellt sich die Frage, ob man jemanden und falls ja, wen, zur Verantwortung ziehen soll. Sind Klagen gegen die CS-Spitze möglich und sinnvoll? Bank-Manager und Aktionäre profitierten jahrelang von Boni und Dividenden – obwohl es der CS schon lange schlecht ging. Kann man die Boni der letzten Jahre zurückfordern? Und was ist mit jenen der Zukunft?

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