Kunden verlieren, Kantone kassieren
Kantonalbanken zahlen nur tiefe Sparzinsen

Die Hälfte der Schweizer Bevölkerung hat ein Konto bei einer Kantonalbank. Das freut die Kantone. Sie profitieren von den tiefen Sparzinsen.
Publiziert: 23.07.2023 um 13:12 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2023 um 16:21 Uhr
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Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker freut sich über eine volle Kantonskasse.
Foto: Keystone
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Die Kassen der Kantone klingeln: 2022 schlossen sie um 4,6 Milliarden Franken besser ab als budgetiert. Dieses Jahr wird noch besser, denn im Frühling vermeldeten auch die Kantonalbanken Rekordergebnisse.

So machte die Zürcher Kantonalbank erstmals über eine Milliarde Franken Gewinn. Davon gehen 320 Millionen an ihren Eigentümer – den Kanton Zürich. Auch die Aargauer Kantonalbank wartete mit einem Rekordgewinn auf: 179 Millionen Franken. Der Kanton kriegt 92 Millionen. Die Graubündner Kantonalbank machte 207 Millionen vorwärts. Der Kanton streicht 93 Millionen ein.

Grund für die Rekorde ist das Zinsgeschäft. Ihm verdanken die Finanzinstitute über die Hälfte der Erträge. «Das Zinsgeschäft brummt», sagt Ökonom Adriel Jost (38), Gastforscher am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik der Uni Luzern.

Wallis und Zug geben noch weniger

Der Mechanismus ist simpel: Banken deponieren viel Geld bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) – zurzeit sind es rund 500 Milliarden Franken. Dafür kriegen die Geldhäuser von der SNB einen Zins. Aktuell liegt dieser bei 1,75 Prozent.

Deutlich tiefer ist hingegen der Zins, den die Banken ihren Kunden zahlen. Auf den Privatkonten gibt es in der Regel gar keinen. Und der Zins auf die Sparguthaben liegt weit unter einem Prozent. So gewährt die Zürcher Kantonalbank 0,75 Prozent bis zu einem Betrag von 50 000 Franken und 0,25 Prozent bis 250 000 Franken. Auf höhere Guthaben gibt es keinen Zins. Bei der Basler KB sind es 0,6 Prozent bis 100 000 Franken und 0,4 Prozent darüber.

Noch weniger schenkt ein Sparkonto bei der Walliser Kantonalbank ein: 0,55 Prozent Zins bis 50'000 Franken und 0,3 Prozent bis 250'000 Franken. Die Zuger KB gewährt gerade mal 0,4 Prozent bis 100 000 Franken. Darüber gibt es nichts. Und die Genfer Kantonalbank bietet 0,5 Prozent bis 30'000 Franken und 0,1 Prozent für alles, was diesen Betrag übersteigt.

«Wir sind der Überzeugung, dass eine Verzinsung der Sparkonten unter einem Prozent im derzeitigen Zinsumfeld zu tief ist, und haben deshalb die Banken aufgefordert, ihre Zinsen und Konditionen zu verbessern», sagt André Bähler (44), Leiter Politik und Wirtschaft beim Konsumentenschutz.

Vereinzelt gehen Zinsen rauf

Tatsächlich erhöhen einzelne Kantonalbanken ab August die Zinsen. So gibt es bei der Aargauer Kantonalbank statt 0,6 neu 0,75 Prozent. Auch die Zuger KB zeigt sich grosszügiger: Statt 0,4 Prozent bis 100'000 Franken gewährt sie 0,4 Prozent bis 200'000 Franken.

Umwälzend ist das nicht. Einzig die Luzerner Kantonalbank macht einen echten Schritt vorwärts: Sie bietet neu ein Prozent Zins bis 100'000 Franken und 0,9 Prozent darüber. Damit fahre sie ökonomisch nach wie vor gut, sagt die Bank gegenüber SonntagsBlick.

Ohnehin steht angesichts der zu erwartenden nächsten Leitzins-Erhöhung im September schon heute fest: Darben müssen die Geldhäuser auch künftig nicht. Zumal sie immer noch von den Gebühren profitieren, die sie in Zeiten der Negativzinsen hochgeschraubt haben – und von einer weiteren Zinsfront, die ihnen täglich mehr einbringt: Der Leitzins treibt die Hypothekarzinsen in die Höhe. Und da sind die Banken fix: Die zehnjährigen Festhypotheken liegen bereits bei drei Prozent.

Das Resultat: Die Gewinnmargen der Kantonalbanken steigen weiter an. Sie erreichen heute Werte von 50 Prozent und mehr. Zum Vergleich: Die Gewinnmarge der SBB liegt zehnmal tiefer. Aber auch Versicherungen oder Pharmakonzerne können von solchen Werten nur träumen.

Zuger Kantonalbank nimmt Stellung

47 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben ein Konto bei einer Kantonalbank. Was ist der Zweck dieser Institute? «Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung der lokalen Bevölkerung und Wirtschaft mit Bankdienstleistungen», betont ihr Verband. Die Zinspolitik der Kantonalbanken legt aber den Schluss nahe, dass sie den Fokus vor allem auf Gewinnmaximierung richten.

Zum Vergleich: 2008 lag der Leitzins bei einem Prozent. Der durchschnittliche Sparzins betrug 0,94 Prozent. Heute ist der Leitzins höher und der Sparzins für die inflationsgeplagte Bevölkerung tiefer als vor 15 Jahren.

Was sagen die Banken dazu? Sie weichen auf Anfrage von SonntagsBlick mehrheitlich aus. Einzig die Zuger Kantonalbank nimmt klar Stellung: «Unsere Zinspolitik richtet sich nach dem Markt. Die Aussage, dass ein unverhältnismässiger Gewinn auf Kosten der Kundinnen und Kunden erwirtschaftet wird, können wir nicht nachvollziehen. Wir geben Zinsvorteile zeitnah an die Kundschaft weiter und bieten auf unseren Konten im Marktvergleich attraktive Konditionen an.»

Und die Kantone? Als Hauptaktionäre könnten sie eingreifen und den Kantonalbanken beispielsweise vorschreiben, ihre Gewinnmarge zugunsten der Kunden herunterzufahren. Oder sie könnten die Löhne der Banker deckeln. Auch diese Massnahme hätte zur Folge, dass mehr für die Kunden übrig bliebe.

Zürcher Finanzdirektor schweigt

«Aus liberaler Sicht wäre allerdings mehr Wettbewerb die beste Lösung», sagt Ökonom Adriel Jost. «Aber die Kunden müssten mitspielen und schneller bereit sein, die Bank zu wechseln.» Das Problem lasse sich ohnehin nicht über Nacht lösen, sagt Jost. «Wenn der Staat eine Branche übermässig stark unterstützt, wird es immer problematisch. Die Kantonalbanken sind da keine Ausnahme. Am Ende gibt es nur unschöne Lösungen.»

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«Die Kunden müssen mitspielen und schneller bereit sein, die Bank zu wechseln.»
Adriel Jost, Ökonom
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Das scheint auch Ernst Stocker (68) zu ahnen. Er ist Finanzdirektor des Kantons Zürich und Präsident der kantonalen Finanzdirektoren. Doch er hat keine Lust, über das Zinsgeschäft der Kantonalbanken zu sprechen. Die Finanzdirektoren hätten dazu keinen Beschluss gefasst, lässt sein Sprecher ausrichten. Deshalb äussere sich Ernst Stocker auch nicht dazu.

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