Lohnt sich ein Eigenheim überhaupt noch?
Viel höhere Zinskosten belasten das Haushaltsbudget

Die Zinskosten sind für Immobilienbesitzer in den vergangenen zwei Jahren stark gestiegen – für viele um weit über 1000 Franken pro Monat. Ist da ein Eigenheim überhaupt noch sinnvoll?
Publiziert: 03.07.2023 um 15:26 Uhr
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Wegen des steilen Zinsanstiegs in der Schweiz sind die Kosten für den Kauf derart gestiegen, dass Mieten deutlich günstiger ist.
Foto: Keystone
Harry Büsser
Handelszeitung

Rein finanziell gerechnet, ist es kein gutes Geschäft mehr, sich jetzt ein Eigenheim zu kaufen. Zu diesem Schluss kommt, wer Miete und Kauf vergleicht. Wegen dem steilen Zinsanstieg in der Schweiz sind die Kosten für den Kauf derart gestiegen, dass Mieten deutlich günstiger ist, als jetzt Eigentum zu erwerben.

Zwei Beispiele können das verdeutlichen, in denen wir Wohnungen zum Kauf mit Wohnungen zur Miete vergleichen. Als Erstes schauen wir uns nach einer 4,5-Zimmer-Wohnung um, die wir für 1 Million Franken kaufen können. Für den Betrag finden sich in einigen Gegenden noch 4,5-Zimmer-Wohnungen mit 100 Quadratmetern Wohnfläche. Derweil finden sich in der Agglomeration von Zürich, etwa in Uster, der drittgrössten Stadt im Kanton, keine 4,5-Zimmer-Wohnungen mehr für den Preis. Die günstigste ist derzeit für 1,046 Millionen Franken zu haben und bietet genau 100 Quadratmeter Wohnfläche.

Wir gehen also am unteren Rand von einem Kaufpreis von 1 Million Franken aus. Finanziert wird der Kauf mit einer Hypothek von 800’000 Franken und 200’000 Franken Eigenkapital.

Zinskosten von 1333 Franken pro Monat

Nun zur Kostenrechnung: Während man gegen Ende des Jahres 2021 vielleicht noch eine Saron-Hypothek für 0,65 Prozent finden konnte, muss jetzt mit einem Zinssatz von 2,65 Prozent gerechnet werden. Das heisst, die jährlichen Zinskosten für die Hypothek über 800’000 Franken sind heute 16’000 Franken höher. Pro Monat sind das 1333 Franken.

Zudem müsste man in die Rechnung einkalkulieren, dass es vor zwei Jahren noch keinen Zins auf dem Sparkonto gab, heute aber meist über 0,5 Prozent. Wenn sie Mieter bleiben, können Sie die 200’000 Franken Eigenkapital mindestens auf einem Sparkonto lassen, wo sie 0,5 Prozent Zinsen, also 1000 Franken pro Jahr, verdienen. Diese entgangenen Zinsen müssen mindestens in die Rechnung einfliessen.

Man könnte sogar argumentieren, dass dieses Geld auch breit diversifiziert an den Aktienmärkten langfristig angelegt werden könnte. Dort kann man im langfristigen Durchschnitt mit 6 Prozent Rendite rechnen. Aber so weit wollen wir hier nicht gehen und hier mit einem Zinssatz von 1,35 Prozent rechnen. Den gibt es derzeit bei der Zürcher Kantonalbank für Kassenobligationen mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Das wären dann jährlich entgangene Zinsen von 2700 Franken, also monatlich 225 Franken.

2825 Franken pro Monat für 4,5-Zimmer-Wohnung

Um die monatlichen Kosten einer Wohnung für 1 Million Franken zu berechnen, müssen Kosten für deren Instandhaltung einkalkuliert werden. Denn wenn Ihnen eine Wohnung gehört, können Sie nicht mehr den Vermieter anrufen, wenn der Geschirrspüler oder etwas anderes kaputt ist. Sie müssen alles selber organisieren und bezahlen. Standardmässig wird dafür ein Prozent des Wertes der Immobilie pro Jahr einkalkuliert. Wenn die Wohnung eine Million kostet, sind das 10’000 Franken pro Jahr, was monatlich 833 Franken entspricht.

Insgesamt belaufen sich die monatlichen Kosten der Wohnung für 1 Million Franken also auf Zinskosten von 1767 Franken plus 225 Franken entgangene Zinsen und 833 Franken Instandhaltungskosten. Total sind das 2825 Franken. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass der Eigenmietwert der Wohnung noch als Einkommen versteuert werden muss.

Wenn man sich an den Orten, an denen es überhaupt eine 4,5-Zimmer-Wohnung für 1 Million Franken zu kaufen gibt, nach einer vergleichbaren Mietwohnung umschaut, kann man feststellen, dass diese alle deutlich günstiger sind. In Uster finden sich solche ab 2100 Franken.

4238 Franken für luxuriösere Eigentumswohnung

Noch krasser wird es, wenn nicht in den unteren Preisbereichen einer solchen 4,5-Zimmer-Wohnung gesucht wird, sondern in den etwas höheren. Dann muss für eine solche Wohnung schon mit einem Kaufpreis von 1,5 Millionen Franken gerechnet werden. Dieser wird wieder zu 80 Prozent mit einer Hypothek finanziert. Für so eine Wohnung sind die monatlichen Zinskosten in den vergangenen zwei Jahren um 2000 Franken gestiegen.

Insgesamt betragen die monatlichen Zinskosten für so eine Wohnung heute 2650 Franken. Dazu kommen die kalkulatorischen Instandhaltungskosten von 1250 Franken und entgangene Zinsen von 338 Franken. Total sind das 4238 Franken pro Monat.

Wer sich umschaut, welche Wohnungen man zu diesem Kaufpreis erhält und diese mit Mietwohnungen vergleicht, die es für bis zu 4238 Franken pro Monat gibt, kann schnell zur Feststellung kommen, dass sich mieten finanziell lohnt.

Wer in Uster sucht, findet dort nur vier 4,5-Zimmer-Mietwohnungen. Sie kosten zwischen 2100 und 3250 Franken Miete pro Monat. Wobei die teuerste 153 Quadratmeter Wohnfläche hat und Minergie-Standard bietet.

Miete schlägt Kauf

Die aktuelle Situation ist also so, dass man es sich zweimal überlegen sollte, ob man jetzt wirklich eine Immobilie kaufen will. Damit sich das finanziell rechnet, müsste man davon ausgehen, dass der Wert der gekauften Immobilie in den nächsten Jahren stark steigt. Das ist möglich, aber derzeit stehen die Zeichen doch eher andersherum, nämlich dass die Preise eher fallen. Eben gerade auch weil derzeit mieten günstiger als kaufen ist.

Zudem ist zu bedenken, dass jene, die ihre Immobilien einst noch mit günstigen Hypothekarzinsen gekauft haben, heute viel höhere Zinskosten tragen müssen. Das gilt weniger für jene, die mit langfristigen Hypotheken finanziert haben, aber für alle, die Saron-Hypotheken haben. Deren Kosten steigen automatisch mit dem Zinsanstieg.

Saron könnte nochmals steigen

Wie hoch dieser ausfällt, lässt sich berechnen: Wer Ende 2021 eine Saron-Hypothek von 800’000 Franken aufgenommen hat, muss heute wahrscheinlich 1333 Franken mehr für diese zahlen als damals. Dieses Geld fehlt im Haushaltsbudget nun für andere Ausgaben. Bei einer Hypothek von 1,2 Millionen Franken sind es schon 2000 Franken.

Und es kann gut sein, dass die Saron im Herbst nochmals um 0,25 Prozentpunkte steigt. Das bringt bei einer Hypothek von 800’000 Franken nochmals Mehrkosten von 167 Franken pro Monat. Bei einer Hypothek von 1,3 Millionen Franken sind es 271 Franken.

Hoher Anteil der Saron-Hypotheken in den vergangenen Jahren

Das wird besonders viele jener treffen, die in den letzten zwei bis drei Jahren ihre Immobilie gekauft haben. Denn sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Eigenheim mit einer Saron-Hypothek finanziert. Ein Drittel der Neuhypotheken im Jahr 2022 sind beim spezialisierten Hypothekenvermittler Moneypark als Saron abgeschlossen worden. Und gemäss der Raiffeisen wurde im Juni und Juli 2022 mehr als jede zweite Neuhypothek als Saron abgeschlossen.

Die «Handelszeitung» hatte schon im Mai 2022 vor dem Zinsanstieg gewarnt und allen mit Saron-Hypotheken dazu geraten, in zehnjährige Hypotheken zu wechseln, die es damals noch für 2 Prozent gab.

Wenn die Zinsen weiter steigen und die Konjunktur einbricht, ist sogar ein Immobilien-Crash nicht ausgeschlossen. Ein solcher kommt statistisch in der Schweiz alle zwanzig Jahre vor. Der letzte ist schon über 30 Jahre her.

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