Am Donnerstag wird der sogenannte hypothekarische Referenzzinssatz aller Voraussicht nach zum ersten Mal seit 15 Jahren angehoben. Dies wäre der Startschuss für eine Erhöhung der Mietzinsen in der Schweiz auf breiter Front. Das wird auch die Teuerung anheizen.
Es geht um mehr als ein paar Franken. Wer heute für seine Wohnung 2000 Franken im Monat bezahlt, muss unter Umständen bald 2130 Franken bezahlen, also fast 7 Prozent mehr. Dies ergibt im Jahr Mehrausgaben fürs Wohnen von knapp 1600 Franken.
Das ist für viele Familienbudgets ein relevanter Betrag. Umso mehr in Zeiten, in denen das Wohnen wegen der gestiegenen Öl-, Gas-, und Stromtarife ohnehin schon massiv teurer geworden ist.
Seit Jahren rekordtiefes Zinsniveau
Der Hauptgrund für den nahenden Preisanstieg ist der Mechanismus des Hypo-Referenzzinssatzes, der sich nun das erste Mal seit seiner Einführung im Jahr 2008 zuungunsten der Mieterschaft auswirken dürfte. Weil sich die Hypozinsen im Zuge der Zinswende von ihren historischen Tiefstständen gelöst haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Referenzzinssatz steigt.
So beliess das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) bei seiner letzten Beurteilung im März den Zins zwar noch einmal bei 1,25 Prozent. Auf diesem rekordtiefen Niveau steht er seit März 2020. Doch der dem Referenzzinssatz zugrundeliegende Durchschnittszins auf inländische Hypothekarforderungen war schon damals von 1,18 auf 1,33 Prozent gestiegen. Sollte der vierteljährlich berechnete Wert nun auf über 1,37 Prozent steigen, wird der Referenzzinssatz auf 1,5 Prozent angehoben; er wird jeweils auf den am nächsten liegenden Viertelprozent-Wert auf- oder abgerundet.
Vermieter planen schon Erhöhung
Für die Mieter sind das schlechte Nachrichten. Denn bei einer Anhebung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte, dürfen die Vermieter den Mietzins um 3 Prozent anheben – sofern sie auch die vorherigen Senkungen weitergegeben haben. Zur Erinnerung: Bei Einführung im Jahr 2008 hatte der Satz 3,5 Prozent betragen, danach sank er schrittweise. Laut einer Schätzung der Zürcher Kantonalbank basieren derzeit rund die Hälfte aller Mietverhältnisse auf dem aktuellen Referenzzinssatz.
Wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur AWP von Mitte April unter gut einem Dutzend grosser Vermieter ergab, werden die meisten den Anstieg für eine Mietzinserhöhung nutzen. «Kommt es zu der erwarteten Referenzzinssatzerhöhung, gehen wir davon aus, dass wir die betroffenen Mietwohnungsverträge in unserem Portfolio entsprechend anpassen werden», teilte etwa die Versicherungsgruppe Swiss Life mit, eine der grössten Vermieterinnen des Landes.
Und der Sprecher einer grossen Immobiliengesellschaft meinte damals: «In den letzten Jahren haben die Mieterinnen und Mieter dank sinkender Hypothekarzinsen von tieferen Mieten profitiert, mit den steigenden Finanzierungskosten auf Seite der Eigentümer ist es aber auch nachvollziehbar, dass das Pendel nun in die andere Richtung ausschwingt.»
Dicke Post für Mieter
Doch der Referenzzinssatz ist nicht der einzige Grund für den sich abzeichnenden Kostenschub. Der andere ist die derzeit relativ hohe Teuerung. Diese darf zu 40 Prozent weitergegeben werden. Dies macht im eingangs erwähnten Beispiel, bei dem keine Mietzinsanpassung seit März 2020 angenommen wird, nochmals gut 2 Prozent aus.
Zudem können die Vermieter auch noch «allgemeine Kostensteigerungen» überwälzen, wobei manche Schlichtungsbehörden Pauschalsätze anwenden, wie ein Sprecher des Bundesamts für Wohnungswesens sagt. Beim obigen Beispiel macht dies – mit einer angenommenen Pauschale von 0,5 Prozent pro Jahr – nochmals rund 1,6 Prozent aus.
Alles in allem kommt also happige Post auf die Mieter zu. Das BWO warnt aber vor Verallgemeinerungen. Ganz generell könne eine Mietzinsveränderung immer nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden, teilte ein Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP mit.
SNB in der Zwickmühle
Ökonomen warnen derweil vor den volkswirtschaftlichen Folgen des Mietzinsschubs. Die Experten der Raiffeisen-Bankengruppe gehen etwa davon aus, dass die Mieten im Herbst die Inflation anheizen werden.
Dies stelle für die Schweizerische Nationalbank ein Dilemma dar. «Sie will mit den höheren Zinsen die Inflation eigentlich dämpfen, treibt sie über den Referenzzinssatz aber selbst nach oben.» Die SNB werde selber also zum «Inflationstreiber», so das Fazit der Raiffeisen-Ökonomen.
Bekanntlich hat die Nationalbank wegen der hohen Inflation in den letzten Quartalen ihren Leitzins in vier Schritten von -0,75 auf +1,5 Prozent angehoben. (SDA/sfa)