«Ohne Vitamin B ist es fast unmöglich»
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Wohnungsnot in der Schweiz:«Ohne Vitamin B ist es fast unmöglich»

Skrupellose Vormieter nutzen Wohnungsnot aus
Martina P. bezahlte 5000 Franken für ein gutes Wort beim Vermieter

Einige bringen Pralinés zur Besichtigung mit oder legen der Wohnungsbewerbung Kinderfotos bei. Martina P. (40) wählt einen anderen Weg: Sie bezahlte ihrem Vormieter bares Geld dafür, dass er sie der Liegenschaftsverwaltung als Nachfolgerin präsentierte. Mit Erfolg.
Publiziert: 01.05.2023 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2023 um 15:33 Uhr
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Wer in Zürich eine Wohnung sucht, hat es schwer. Es herrscht Wohnungsnot. Bei Wohnungsbesichtigungen bilden sich lange Schlangen. (Symbolbild)
Foto: Keystone
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Rolf KromerRedaktor Wirtschaft

Des einen Leid ist des anderen Freud: Während Wohnungssuchende besonders in den grösseren Städten am Rande der Verzweiflung stehen, nutzen einige wenige Mieter die akute Wohnungsnot schamlos aus. Ihre Masche: Wer ausserterminlich auszieht, lässt sich die Empfehlung eines Nachmieters an die Liegenschaftsverwaltung bezahlen – und zwar teuer.

Ein krasses Beispiel erlebte Blick-Leserin Martina P.* (40). Sie suchte lange eine Wohnung in der Stadt Zürich, die nicht überteuert ist und – das war ihr wichtig – einen Balkon hat. «Ich hatte einige Wohnungen besichtigt, aber keine hat meine Kriterien erfüllt.»

Vorzugsbehandlung gegen bares Geld

Anfang 2023 fällt ihr auf der Immobilien-Plattform Homegate eine Wohnung auf: Zwei Zimmer, gut gelegen, mit Balkon, für verhältnismässig günstige 1400 Franken Monatsmiete. Sie besichtigt die Wohnung «gemeinsam mit geschätzt hundert anderen Interessenten». Für P. ist sofort klar: «Das ist meine Traumwohnung. Die muss ich haben!»

Der bisherige Mieter verlässt die Wohnung ausserterminlich und muss der Verwaltung laut Gesetz einen Nachmieter vorschlagen. Daraus will er Profit schlagen, wie P. erzählt: «Er verlangte von mir 5000 Franken.» Dafür versprach er P., sie als Top-Nachmieterin bei der Liegenschaftsverwaltung zu empfehlen. Alle anderen Interessenten wolle er nicht erwähnen.

Tipps zur Wohnungssuche
  • Wenn der Wohnungswechsel nicht pressiert: Lass Dich bei Wohnbaugenossenschaften und Verwaltungen auf die Warteliste setzen.
  • Informiere Verwandte, Bekannte oder Arbeitskollegen über die Wohnungssuche.
  • Richte ein Suchabo auf Immobilienplattformen ein.
  • Halte Dich bei der Kontaktaufnahme an die Regeln: Verzichte auf Anrufe, wenn bei der Ausschreibung eine schriftliche Kontaktaufnahme gewünscht ist.
  • Zeige Dich beim Besichtigungstermin von Deiner besten Seite. Sei pünktlich und authentisch.
  • Überzeuge mit einer vollständigen Bewerbung. Ein persönliches Motivationsschreiben ist sehr hilfreich. Stossrichtung: «Darum bin ich die perfekte Mieterin, der perfekte Mieter.» Ein gutes Foto, ein Lebenslauf und die Angabe von Referenzen (z.B. Vorvermieter oder Arbeitgeber) runden die Bewerbung ab.
  • Lege einen Betreibungsregisterauszug bei – auch wenn es keine Bedingung ist.
  • Hake nach, wenn Du nichts hörst.
  • Stelle eine gute Erreichbarkeit sicher.
  • Wenn der Wohnungswechsel nicht pressiert: Lass Dich bei Wohnbaugenossenschaften und Verwaltungen auf die Warteliste setzen.
  • Informiere Verwandte, Bekannte oder Arbeitskollegen über die Wohnungssuche.
  • Richte ein Suchabo auf Immobilienplattformen ein.
  • Halte Dich bei der Kontaktaufnahme an die Regeln: Verzichte auf Anrufe, wenn bei der Ausschreibung eine schriftliche Kontaktaufnahme gewünscht ist.
  • Zeige Dich beim Besichtigungstermin von Deiner besten Seite. Sei pünktlich und authentisch.
  • Überzeuge mit einer vollständigen Bewerbung. Ein persönliches Motivationsschreiben ist sehr hilfreich. Stossrichtung: «Darum bin ich die perfekte Mieterin, der perfekte Mieter.» Ein gutes Foto, ein Lebenslauf und die Angabe von Referenzen (z.B. Vorvermieter oder Arbeitgeber) runden die Bewerbung ab.
  • Lege einen Betreibungsregisterauszug bei – auch wenn es keine Bedingung ist.
  • Hake nach, wenn Du nichts hörst.
  • Stelle eine gute Erreichbarkeit sicher.

9000 Franken obendrauf

Damit nicht genug: Zudem fordert er 500 Franken für seine alten Möbel, die er nicht mehr braucht und nicht aus der Wohnung zügeln will. «Darunter ein schweres, abgewetztes Möbel», berichtet P. Sie will die Wohnung aber unbedingt. P. weiss, dass die Empfehlung des Vormieters wichtig ist und es viel Konkurrenz gibt. Deshalb akzeptiert sie die Bedingungen und übertrifft sie sogar noch: «Ich habe dem Mieter angeboten, die Reinigung zu übernehmen.» Damit hatte sie den Fall für sich entschieden.

Der bisherige Mieter empfiehlt Martina P. als einzige Nachmieterin. Und tatsächlich: Martina P. bekommt die Wohnung. Die Empfehlung, der Möbelkauf und deren Entsorgung, die Reinigung plus die Kaution von zwei Monatsmieten kosten sie insgesamt 9000 Franken. Trotzdem sagt sie: «Ich würde es wieder machen.»

Mieterverband sieht Zahlung kritisch

Walter Angst (61), Co-Geschäftsleiter des Zürcher Mieterverbands, bemängelt die Zahlung der 5000 Franken. Er sagt: «Der Vormieter handelt unsittlich. Aber eine Nachmieterin hätte wenig Chancen, gerichtlich gegen den Vormieter vorzugehen, obwohl sich dieser bereichert, ohne eine Leistung zu erbringen.»

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Pralinés, Kinderfotos und Zeichnungen

Andere Wohnungssuchende, mit denen Blick gesprochen hat, erzählen ähnliche Geschichten. Sie wollen genau wie Martina P. anonym bleiben, weil sie Nachteile bei der Wohnungssuche befürchten. Sie berichten von nicht enden wollenden Menschenschlangen bei Wohnungsbesichtigungen. «Da weiss man, dass ein Zuschlag für die Wohnung sehr unwahrscheinlich ist», sagt eine. Viele Bewerbende greifen in die Trickkiste und bringen Pralinés zum Besichtigungstermin mit, geben aufwändig gestaltete Dossiers ab und legen Fotos bei, die ihre Kinder zeigen.

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Andere berichten, dass sie dem Bewerbungsschreiben ein selber gezeichnetes Bild vom Haus mitschicken, um zu zeigen, wie ernst sie es mit der Bewerbung meinen. Oder sie schlagen den Vermietern vor, eine höhere Wohnungsmiete zu bezahlen, als diese fordern. Laut Mieterverband ist letzteres illegal: Anders als beim Verkauf einer Wohnung dürfen die Besitzer den Zuschlag bei der Vermietung nicht einfach an den Höchstbietenden vergeben. Vielmehr muss sich die Miete am Hypothekarzins orientieren. Dies mithilfe des Referenzzinssatzes.

*Name geändert

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